Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit einer "überflüssigen" Änderungskündigung. Unzulässige Wiederholungskündigung. Betriebsbedingte Änderungskündigung. Anforderungen an das Änderungsangebot in der Änderungskündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zielt eine Änderungskündigung ausschließlich auf die Herbeiführung von Vertragsbedingungen, die auch ohne sie für das Arbeitsverhältnis gelten, ist die Kündigung zwar "überflüssig" und wegen der mit ihr einhergehenden Bestandsgefährdung unverhältnismäßig. Nach Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung steht deren Wirksamkeit aber nicht mehr im Streit.

2. Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem über diese geführten Prozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie eine solche Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber in diesem Fall ausgeschlossen. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt.

3. Eine Änderungskündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschlossen hat, bei deren innerbetrieblicher Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entweder ganz oder jedenfalls zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfällt.

4. Ein Änderungsangebot ist nur dann sozial gerechtfertigt i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn der Arbeitgeber sich darauf beschränkt, solche Änderungen vorzusehen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer mangels hinreichender Bestimmtheit des Änderungsangebots schon nicht erkennen kann, welche Arbeitsleistung er fortan schulden soll. Das Änderungsangebot muss so konkret gefasst sein, dass es der Arbeitnehmer ohne Weiteres annehmen kann. Ihm muss klar sein, welche Vertragsbedingungen künftig gelten sollen.

 

Normenkette

BPersVG § 79 Abs. 4 a.F.; KSchG § 1 Abs. 2, § 2 Abs. 1, § 4 S. 2; ZPO § 286 Abs. 1; NATO-Truppenstatut Art. 56; TV AL II v. 02.07.1997 § 44 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 29.04.2021; Aktenzeichen 1 Ca 370/19)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - 1 Ca 370/19 - vom 29. April 2021 abgeändert und die Klage abgewiesen.

  • II.

    Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt der Kläger.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen.

Der 1964 geborene, verheiratete, zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit September 1982 als Zivilbeschäftigter iSd. Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut (ZA-NTS) als vollbeschäftigter Angestellter bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigt und wurde als Feuerwehrmann eingesetzt. Das Arbeitsverhältnis richtet sich zuletzt nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 01. April 1987 (Bl. 188 d. A., im Folgenden: AV) in der Fassung des Änderungsvertrags vom 01. Oktober 2012 (Bl. 189 ff. d. A.; im Folgenden: ÄV), nach dessen Regelungen die neue Stellenbeschreibung des Klägers ab 01. Oktober 2012 "Stellvertretender Leiter der Feuerwehr" lautet. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft einzelvertraglicher Vereinbarung ua. der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV AL II) und der Tarifvertrag über Rationalisierungs-, Kündigungs- und Einkommensschutz vom 02. Juli 1997 (Schutz-TV) Anwendung. Der Kläger ist nach § 8 Ziff. 1 Schutz-TV aufgrund seines Lebensalters und seiner Beschäftigungszeit nicht mehr ordentlich kündbar. Von diesem Kündigungsschutz werden gemäß § 8 Ziff. 3a Schutz-TV Änderungskündigungen nicht berührt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Arbeitsverträge wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Der Kläger wurde von Oktober 2012 bis Juni 2013 als stellvertretender Leiter der Feuerwehr in der Dienststelle der U.S. Army Garrison (USAG) Rheinland-Pfalz in C-Stadt eingesetzt. In der Beschäftigungsdienststelle des Klägers werden regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Die Feuerwehreinheit der USAG in C-Stadt besteht aus sechs Feuerwachen und wurde zum damaligen Zeitpunkt von einem Mitglied der Truppe, E., geleitet. Der Kläger bezog Vergütung nach Entgeltgruppe C 7 TV AL II zuzüglich tariflicher Einmalzahlungen, Zulagen und Zuschläge. Während seiner Tätigkeit als stellvertretender Leiter der Feuerwehr wurden dem Kläger auch Zuschläge für die Teilnahme an Rufbereitschaftsdiensten, gewährt, weshalb er seine damalige Vergütung mit 6.300,00 Euro brutto (einschließlich Rufbereitschaftszuschlägen) beziffert.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2013 kündigten die US-Stationierungsstreitkräfte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger außerordentli...

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