Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilwiderruf einer arbeitsvertraglichen Versorgungszusage wegen Pflichtverletzung. Unwirksamer Teilwiderruf einer arbeitsvertraglichen Versorgungszusage wegen Pflichtverletzung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein betriebliches Ruhegeld hat Entgeltcharakter und ist eine besondere Vergütung dafür, dass der Dienstverpflichtete seine Arbeitskraft für lange Zeit in den Dienst des Unternehmens gestellt hat; die gesetzliche Unverfallbarkeitsregelung (§ 1 b BetrAVG) stellt im Kern eine Konsequenz dieser Zwecksitzung dar.

2. Ein Teilwiderruf der Versorgungszusage wegen Pflichtverletzung ist ausgeschlossen, wenn die Zeit der Pflichtverletzung gegenüber der korrekten Vertragserfüllung nicht ins Gewicht fällt; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalles, wobei es darauf ankommt, ob der Arbeitnehmer seine Stellung ausgenutzt hat, um seiner Arbeitgeberin zu schaden, und ob die Höhe des Schadens sowie die fortgesetzte nicht unerhebliche Dauer des schädigenden Verhaltens zu Lasten des Arbeitnehmers zu werten sind.

3. Stehen im Einzelfall 4 Jahre mit Zeiten von Pflichtverletzungen 17 Jahren korrekter Vertragserfüllung gegenüber und wurde der geschätzte Schaden von 300.000 DM durch die Zahlung von 200.000 DM ausgeglichen und haben sich die Parteien im Übrigen hinsichtlich der restlichen 100.000 DM auf einen Vergleich geeinigt, ist der Teilwiderruf der Versorgungszusage ausgeschlossen.

 

Normenkette

BetrAVG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 14.07.2011; Aktenzeichen 10 Ca 2328/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.11.2013; Aktenzeichen 3 AZR 274/12)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 14.07.2011 - 10 Ca 2328/10 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen partiellen Widerruf einer arbeitsvertraglichen Versorgungszusage und um die Nachzahlung von Differenzansprüchen.

Der 1946 geborene Kläger war bei der Beklagten seit März 1975 bis zum 17.09.1997 angestellt und zuletzt auf der Grundlage eines auf den 27.02.1985 datierten schriftlichen Anstellungsvertrages (Kopien Bl. 12 bis 16 d. A.) als Leiter der Rechtsabteilung einer Tochtergesellschaft der Beklagten tätig. Nach Ziffer III. 8. dieses Anstellungsvertrages hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Versorgungsleistungen nach Maßgabe der Pensionsordnung von August 1981 der Beklagten (Kopien Bl. 17 bis 20 d. A.).

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, nachdem der Kläger jedenfalls in den Jahren 1992 bis 1996 anlässlich seiner beruflichen Tätigkeit unerlaubt Zahlungen in Höhe von mehreren 100.000,-- DM für seine Mitwirkung bei der Verwertung von Leasing-Gütern angenommen hat. Die Beklagte wirft dem Kläger unverändert vor, in einer Vielzahl von Fällen "Schmiergeldzahlungen" für die von ihm begleitete Veräußerung von Leasing-Kraftfahrzeugen zu Minderpreisen erhalten und ihr damit auch einen Vermögensschaden zugefügt zu haben. Mit Schreiben an den Kläger vom 26.11.1997 (Kopie Bl. 21 d. A.) hat deshalb die Beklagte erklärt:

"Unverfallbare Firmenpensionsansprüche

Sehr geehrter Herr C.,

aufgrund Ihres vertragswidrigen Verhaltens in den letzten vier Jahren, das zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses führte, widerrufen wir für diesen Zeitraum die Versorgungszusage."

Im Dezember 1999 akzeptierte der Kläger einen Strafbefehl, dem zu Grunde liegt, dass er zu Unrecht Zahlungen in Höhe von 300.000,-- DM erhalten haben soll. Konkret wurde dem Kläger mit diesem Strafbefehl vorgeworfen, er habe sich als "Gegenleistung" für zustande gekommene Vertragsabschlüsse an Mehrerlösen der Vertragspartner beteiligen lassen, indem er Barzahlungen angenommen habe, die er privat vereinnahmt und vor seinem Arbeitgeber verheimlicht haben soll. Der Beklagten wiederum wurden im Rahmen der steuerlichen Behandlung dieser Angelegenheit diese 300.000,-- DM als Bruttoeinnahmen mit einer daraus resultierenden Verpflichtung zur Umsatzsteuernachzahlung und einem zu versteuernden Mehrgewinn in Höhe von 261.000,-- DM zugerechnet. Der Kläger seinerseits leistete auf der Grundlage dieses Betrages von 300.000,-- DM sofort eine Zahlung über 200.000,-- DM an die Beklagte. Wegen des verbleibenden Differenzbetrages von 100.000,-- DM kam es 1999 zum notariellen Schuldanerkenntnis des Klägers über 40.000,-- DM nebst Zinsen mit einer Ratenzahlungsvereinbarung über 500,-- DM monatlich und zum Verzicht der Beklagten auf Zahlung der restlichen 60.000,-- DM.

Seit dem 01.02.2010 bezieht der Kläger eine Firmenpension, deren Höhe die Beklagte wegen des von ihr erklärten teilweisen Widerrufs der Versorgungszusage mit 696,51 EUR monatlich ermittelte. Wegen ihres erklärten Widerrufs kürzte die Beklagte die vom Kläger begehrte volle Betriebsrente in Höhe von 1.005,55 EUR monatlich um 309,04 €.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 2.781,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtsh...

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