Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnungserfordernis vor Kündigung bei Pflichtverletzung durch steuerbares Verhalten. Beidseitige Substantiierungspflicht zur Erfüllung der Darlegungs- und Beweislast. Erforderliches Beweismaß für richterliche Überzeugung nach § 286 Abs. 1 ZPO

 

Leitsatz (redaktionell)

Kann der Arbeitgeber den vorgeworfenen Spesenbetrug nicht hinreichend beweisen, erweist sich die fristlose Kündigung als rechtsunwirksam.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1; StGB § 263; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 30.10.2019; Aktenzeichen 4 Ca 897/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30.10.2019 - Az.: 4 Ca 897/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen, oder aber einer hilfsweise erklärten ordentlichen Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht, darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen und schließlich darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger bis zur Rechtskraft der Entscheidung über die Kündigungsschutzanträge zu den im Arbeitsvertrag geregelten Arbeitsbedingungen als Außendienstmitarbeiter/Reisender weiter zu beschäftigen.

Der 1976 geborene Kläger ist verheiratet, hat 4 unterhaltsberechtigte Kinder und war bei der Beklagten unter Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten seit dem 15.12.2005 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit der Firma. GmbH & Co KG vom 18.09.2013 als Außendienstmitarbeiter/Reisender in der Betriebsstätte N-Stadt beschäftigt. Mit Wirkung zum 01.10.2013 ging das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über. Die Bruttomonatsvergütung des Klägers betrug zuletzt einschließlich Dienstwagen, Zuzahlung zur Direktversicherung und Arbeitgeberzuschüssen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung 5.927,92 €.

Die Beklagte ist ein Unternehmen der C. Unternehmensgruppe, die seit ca. 230 Jahren als Familienunternehmen Schuhe herstellt. Die Beklagte beschäftigt ca.162 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat besteht im hier maßgeblichen Betrieb der Beklagten nicht.

Die Beklagte erstattet ihren Mitarbeitern Aufwendungen für Dienstreisen nach ihrer sogenannten Dienstreise-Richtlinie, Stand 06.01.2014. Die Reisekostenabrechnung hat der Mitarbeiter auf einem Formular der Beklagten einzureichen (Ziffer 10.1 der Dienstreise-Richtlinie). Das Formular enthält eine Tabelle, deren 7. Spalte bezeichnet ist mit "abz. Frühstück - 4,80" (s. Bl. 89 d.A.). Die Richtlinie hat im Übrigen, soweit vorliegend von Belang, folgenden Wortlaut:

"5 Hotels

5.1 Hotels Inland

Für Übernachtungen im Rahmen von Geschäftsreisen im Inland gilt als Höchstsatz Euro 80,- pro Übernachtung (ohne Frühstück), in Großstädten Euro 110,- pro Übernachtung (ohne Frühstück). Die Kosten für die Unterbringung bei Inlandsreisen werden in der mit Beleg nachgewiesenen Höhe oder alternativ pauschal gem. Anlage 5 erstattet. Die Hotelrechnung ist auf die komplette Firmenadresse plus Übernachtungsgast auszustellen. Sind in dem Rechnungsbetrag des Hotels die Kosten für Frühstück enthalten, ist in der Reisekostenabrechnung pro Frühstück der aktuelle steuerliche Sachbezugswert in Abzug zu bringen."

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Dienstreise-Richtlinie wird auf Bl. 77 ff d.A. Bezug genommen.

In den Monaten Juli 2018 bis einschließlich November 2018 war der Kläger nach Maßgabe der Aufstellung der Beklagten, hinsichtlich deren Inhalts auf Bl. 141 d.A. Bezug genommen wird, im B. W. Hotel in P-Stadt mit dem sogenannten Komfort-Paket eingebucht und hatte jedenfalls die Möglichkeit, ein Frühstück zu sich zu nehmen. Ob die Beklagte für all diese Tage aufgrund der Hotelrechnungen ein Frühstück für den Kläger bezahlt hat, ist zwischen den Parteien streitig, ihr wechselseitiges Vorbringen insoweit kontrovers. Die Hotelrechnungen für den Zeitraum 03.09.2018 bis 15.11.2018 weisen jedenfalls sämtlich die Buchungstexte "Komfort-Paket ohne Frühstück" und "Logis ohne Frühstück" aus (s. Bl. 192 ff d.A.). Der Kläger nahm in seinen Reisekostenabrechnungen für die Monate Juli 2018 bis einschließlich November 2018 keinen Abzug in Höhe des im Formular vorgesehenen steuerlichen Sachbezugswerts von 4,80 € für das jeweilige Frühstück vor (s. Bl. 144 d.A.).

Der Kläger befand sich darüber hinaus auf Dienstreisen mit Übernachtung im B. W. Hotel in P-Stadt wie folgt:

- 2. bis 5. Februar 2019,

- 10. bis 13. Februar 2019,

- 16. bis 18. Februar 2019,

- 24.-27 der Februar 2019 und

- 5. bis 6. März 2019.

Der Kläger hatte jeweils das sogenannte Komfort-Paket gebucht, das jedenfalls Wellness, Fitness und Internet beinhaltet. Ob die Beklagte für die Tage 03. bis 05., 11. bis 13, 17.,18., 25. bis 27.02. und 06. März 2019 mit den jeweiligen Rechnungen dem Hotel auch ein Frühstück bezahlt hat, wird von den Parteien gegenteilig dargestellt.

Die vom Hotel ins...

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