Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialwidrige Änderungskündigung eines Assistenzarztes bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu personenbedingter Minderleistung und fehlender Abmahnung bezüglich verhaltensbedingter Gründe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Änderungskündigung wegen Minderleistung kann aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt sein, wenn die Arbeitsleistung die berechtigte Gleichwertigkeitserwartung des Arbeitgebers in einem Maße unterschreitet, dass ihm ein Festhalten am (unveränderten) Arbeitsvertrag unzumutbar wird, auch für die Zukunft nicht mit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts von Leistung und Gegenleistung zu rechnen ist und kein milderes Mittel zur Wiederherstellung eines Vertragsgleichgewichts zur Verfügung steht.

2. Bei personenbedingten Kündigungen bedarf es grundsätzlich einer vorherigen Abmahnung nicht; dennoch ist der Arbeitgeber bereits aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes jedenfalls gehalten, den Arbeitnehmer auf ein Leistungsdefizit hinreichend aufmerksam zu machen. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn ein derartiger Hinweis nicht erfolgversprechend gewesen wäre.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2, § 2 S. 1, § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2; BGB § 314 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 23.05.2013; Aktenzeichen 3 Ca 2324/12)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 23. Mai 2013 - 3 Ca 2324/12 - wird, soweit sie sich gegen ihre Verurteilung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses richtet, auf ihre Kosten als unzulässig verworfen, im Übrigen wird sie kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer vom Kläger unter dem Vorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung angenommenen Änderungskündigung der Beklagten und um die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.

Der am 06. März 1972 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war in der HNO-Klinik der Beklagten vom 01. November 1998 bis 14. September 2005 als Assistenzarzt, ab 15. September 2005 nach abgeschlossener Ausbildung als Facharzt tätig. Von April 2007 bis August 2011 war der Kläger - griechischer Staatsangehöriger - an der Universitätsklinik L und an der Universitätsklinik A beschäftigt. Die Parteien schlossen unter dem 21. Juli/02. August 2011 einen bis 31. März 2012 befristeten Arbeitsvertrag (Bl. 14 f. d.A.; im Folgenden: AV) über eine Tätigkeit des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter/Facharzt. Die Parteien vereinbarten neben einer sechsmonatigen Probezeit einzelvertraglich unter anderem die Anwendbarkeit des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte). Der Kläger wurde in Entgeltgruppe Ä 2, Stufe 2 TV-Ärzte eingruppiert und vergütet. Mit Schreiben vom 15. November 2011 (Bl. 17 d.A.) bestellte die Beklagte den Kläger mit Wirkung vom 01. November 2011 als Oberarzt für den Bereich "computer-assistierte Chirurgie". Der Kläger, der ab diesem Zeitpunkt unstreitig infolge einvernehmlicher Änderung seines Arbeitsvertrages die Tätigkeit eines Oberarztes schuldete, wurde seither nach Entgeltgruppe Ä 3, Stufe 1 TV-Ärzte eingruppiert und vergütet.

Unter dem 28. Dezember 2011 erteilte der Direktor der H-Klinik Prof. Dr. Dr. M dem Kläger eine Beurteilung vor Ablauf der Probezeit (Bl. 18 ff. d.A.). Im dem Kläger eröffneten Beurteilungsbogen ist als Aufgabengebiet und Dienstbezeichnung "wissenschaftlicher Mitarbeiter (Facharzt)" angegeben und die geprüften Punkte (theoretische Fachkenntnisse, Arbeitsbefähigung, Arbeitsquantität, Arbeitsqualität, Zuverlässigkeit und Sozialverhalten) werden ausnahmslos mit "eins" (= erheblich über dem Durchschnitt) bewertet. Weiter ist im Beurteilungsbogen festgehalten, dass nach Auswertung des Beurteilungsbogens eine Übernahme des Mitarbeiters nach Ablauf der Probezeit erwünscht ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beurteilungsbogens wird auf den Akteninhalt verwiesen. In der Folge wurde der Arbeitsvertrag des Klägers durch Vereinbarung vom 08. März 2012 unbefristet fortgesetzt.

Im Monat August 2012 vergütete die Beklagte den Kläger statt nach Ä 3 Stufe 1 TV-Ärzte lediglich noch nach Ä 2 Stufe 2 TV-Ärzte. Ab August 2012 wurde der Kläger nicht mehr wie zuvor zu Hintergrunddiensten als Oberarzt herangezogen. Nach außergerichtlicher Anmahnung mit Schreiben vom 13. September 2012 durch den Kläger zahlte die Beklagte die Gehaltsdifferenz nach.

Die Beklagte teilte dem bei ihr gewählten Personalrat mit Schreiben vom 14. September 2012 mit, sie beabsichtige, dem Kläger zum Zwecke der Herabgruppierung eine Änderungskündigung auszusprechen, da dieser eingeschränkte operative Fähigkeiten zeige, die es nicht erlaubten, ihn Eingriffe unbeaufsichtigt durchführen zu lassen. Wegen der Einzelheiten der Begründung, die im Wesentlichen einer Mitteilung des Prof. Dr. Dr. M an die Personalabteilung der Beklagten vom 07. September 2012 (Bl. 54 f. d.A.) entspricht, wird auf Bl. 48 ff...

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