Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifeinheit bei Streik. Gewerkschaft. Streik. Tarifeinheit. Tarifpluralität. einstweilige Verfügung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Tariffähigkeit setzt Unabhängigkeit vom sozialen Gegenspieler, vom Staat und von gesellschaftlichen Organisationen voraus. Daran fehlt es, wenn eine im Wesentlichen auf ein Unternehmen beschränkte Vereinigung in ihrem Bestand von diesem abhängig ist.

2. Der Streik stellt einen Verstoß gegen den das Arbeitskampfrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar, wenn die damit angestrebten Regelungen nach dem Grundsatz der Tarifeinheit ohnehin nicht zur Geltung kämen.

3. Ist die Tariffähigkeit/Gewerkschaftseigenschaft noch nicht gerichtlich geklärt, steht dies dem Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht entgegen, auch wenn sich dort die Tariffähigkeit als Vorfrage stellt.

 

Normenkette

GG Art. 9; TVG § 3 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 07.11.2003; Aktenzeichen 6 Ga 2003/03)

 

Tenor

Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom07.11.2003 – Az.: 6 Ga 2003/03 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung hat der Verfügungsbeklagte zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber, ob der Verfügungsbeklagte im Betrieb der Verfügungsklägerin zum Zwecke des Abschlusses von Tarifverträgen für die Fluglotsen Streikmaßnahmen durchführen darf.

Die Verfügungsklägerin betreibt den Flughafen X. Die Fluglinie V mit einer geplanten Passagierzahl von 3,6 Millionen im Jahr 2004 hat einen Anteil von 70 % des Umsatzes aus Flughafengebühren und Entgelten. Die Verfügungsklägerin beschäftigt ca. 270 Arbeitnehmer, davon etwa 15 Fluglotsen, die zu ca. 75 % bei dem Verfügungsbeklagten – Gewerkschaft U – organisiert sind (U).

Die Flugsicherung Deutschland wurde 1992 privatisiert. Sie wird von der bundeseigenen T GmbH (T) mit Sitz in S-Stadt wahrgenommen. Diese betreibt den Fluglotsendienst an allen Verkehrsflughäfen im Bundesgebiet. Sie beschäftigt ca. 5.150 Mitarbeiter einschließlich der Auszubildenden. Die Fluglotsen mit ca. 1800 Mitarbeitern stellen die größte Berufsgruppe. Etwa 1.000 Ingenieure und Techniker sind mit der Planung, Realisierung und dem Betreiben der für die Flugsicherung notwendigen technischen Systeme befasst. Im Luftfahrtbundesamt sind in der Abteilung Flugsicherung noch 128 Arbeitnehmer beschäftigt. Außerhalb der von der T betreuten Flughäfen gibt es an etwa 15 Regionalflughäfen ca. 200 im Bereich der Flugsicherung beschäftigte Mitarbeiter. Sie sind Arbeitnehmer von Gebietskörperschaften oder den Betreibergesellschaften der Regionalflughäfen und nach § 31 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG vom Bundesministerium für Verkehr mit Flugsicherungsaufgaben individuell beauftragt worden.

Nachdem zunächst bei der Verfügungsklägerin tarifvertragliche Regelungen lediglich aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme galten, kam es im November 2000 zum Abschluss mehrerer Haustarifverträge mit der DAG und der ÖTV. Derzeit gelten ein Manteltarifvertrag, ein Entgeltrahmentarifvertrag, ein Tarifvertrag über eine leistungsbezogene Bezahlung, ein Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung, ein Öffnungstarifvertrag zur Entgeltumwandlung, ein Überleitungstarifvertrag sowie ein so genannter Feuerwehrtarifvertrag mit einer Sonderregelung für die Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin, die hauptberuflich im operativen feuerwehrtechnischen Dienst tätig sind.

Mit der DAG und später mit ver.di waren der Verband R (R) und der Verband Q (Q) zunächst durch einen Kooperationsvertrag verbunden. Die Mitglieder des R und des Q, waren aufgrund der Vereinbarung zugleich Einzelmitglieder der DAG und später ver.di. Sie erhielten tarif- und betriebspolitische Betreuung und entsandten Mitglieder in Tarif- und Verhandlungskommissionen. Im Anschluss an eine ordentliche Kündigung des Kooperationsvertrages durch den R zum 31.10.2003 kündigte ver.di diesen im Herbst 2002 außerordentlich. Im Februar 2003 wurde die U als nichtsrechtsfähiger Verein gegründet. Es hatte sich zu diesem Zweck der R umbenannt und sich der Q angeschlossen. Nachdem es über die Frage der Wirksamkeit dieser Gründung Streit gegeben hatte, fand eine Neugründung als U e.V. – des Verfügungsbeklagten – statt, die am 15.09.2003 im Register des Amtsgerichts Frankfurt am Main eingetragen worden ist.

Nach § 4 der Satzung des Verfügungsbeklagten in der neusten Fassung vom 07.03.2004 umfasst sein Organisationsbereich alle mit der Durchführung der Flugsicherung befassten Unternehmen und Betriebe, sowie alle Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der Eintragung des U Mitglied des R oder des Q waren sowie auch die U und ihre Einrichtungen.

Der Verfügungsbeklagte hat mittlerweile 1.700 ordentliche Mitglieder, darüber hinaus noch außerordentliche, d.h. nicht mehr im Beschäftigungsverhältnis stehende Mitglieder. Das Beitragsaufkommen beläuft sich auf monatlich ca. 120 000,00 EUR. Neben diesen Einnahmen durch Mitgliedschaftsbeiträge h...

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