Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsanpassung bei Wegfall der Geschäftsgrundlage. Einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Prozessvergleich

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch dann, wenn es auf Veranlassung des Arbeitgebers zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags kommt, kann dieser nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen sein, wenn sich in der Zeit zwischen dem Abschluss des Aufhebungsvertrags und dem vereinbarten Vertragsende unvorhergesehen eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer ergibt. Die Vertragsanpassung kann dabei auch in einer Wiedereinstellung liegen.

2. Haben sich die Parteien in einem Prozessvergleich darauf geeinigt, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist aus betriebsbedingten Gründen (Betriebsstilllegung) sein Ende finden wird, haben sie sich sowohl über das Ende und den Beendigungszeitpunkt als auch über den Beendigungsgrund geeinigt, indem sie aufgenommen haben, dass betriebsbedingte Gründe (Betriebsstilllegung) vorliegen.

 

Normenkette

BGB § 311a Abs. 1, § 313 Abs. 1; ZPO § 278 Abs. 6 S. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 6; BGB § 613a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 16.12.2021; Aktenzeichen 2 Ca 2193/21)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16. Dezember 2021, Az.: 2 Ca 2193/21 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Vergleichsanpassung unter (ergänzender) Einbeziehung eines Wiedereinstellungsanspruchs.

Die Beklagte betreibt bzw. betrieb ein Reisebüro und beschäftigte eine Vollzeit- und zwei Teilzeitkräfte, unter anderem die 1987 geborene und verheiratete Klägerin seit dem 1. Februar 2019 als "Reisebüroexpedientin" in Teilzeit bei einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von 1.400,00 € zuzüglich vermögenswirksamer Leistungen und einem Tankgutschein. Dem Arbeitsverhältnis lag ein Anstellungsvertrag vom 28. Dezember 2018 (Blatt 5 ff. der Akte) zugrunde.

Seit März 2020 bestand für den Betrieb der Beklagten Kurzarbeit. Am 12. November 2020 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine ordentliche Kündigung aus. Nachdem die Klägerin Kündigungsschutzklage erhob und der Beklagten mitteilte, dass sie schwanger sei, wurde die Kündigung per arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 30. Dezember 2020, Az. 7 Ca 3835/20, im Ergebnis für gegenstandslos erklärt.

Mit Antrag vom 26. Januar 2021 beantragte die Beklagte bei der zuständigen Struktur- und Genehmigungsdirektion die Zustimmung zur beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin.

Anfang Februar 2021 führten die Prozessbevollmächtigten der Parteien Gespräche. Hierbei wurden zunächst die Eckdaten für die (Nach-)Berechnung des Arbeitsentgelts und möglicher Urlaubsansprüche für die Klägerin für das Jahr 2020 besprochen. Des Weiteren wurde die beabsichtigte Beendigung des Arbeitsverhältnisses besprochen. Hierbei teilte der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter mit, dass ein Beendigungsvergleich nur im Rahmen eines neuen Kündigungsschutzverfahrens abgeschlossen werden könne und dass insoweit zumindest rein formal auch ein Zustimmungsverfahren bei der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord durchgeführt werden sollte. Bereits im Gespräch am 5. Februar 2021 wurden die Eckdaten für einen möglichen Beendigungsvergleich in einem zukünftigen Kündigungsschutzverfahren besprochen. In den Raum gestellt wurde insoweit eine Abfindung in Höhe von 1.500,00 € brutto bei einer ordentlichen Kündigung sowie eine Freistellung bis zum Beginn des Mutterschutzes für die Klägerin unter gleichzeitiger Urlaubsgewährung.

Die Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord erklärte mit Bescheid vom 13. April 2021 (Blatt 107 ff. der Akte) aufgrund des § 17 Abs. 2 MuSchG die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zum 30. September 2021 für zulässig. In dem Bescheid heißt es weiter:

"Bedingung:

Die Zulässigerklärung wird nur für den Fall erteilt, dass der Betrieb wie im Antrag dargelegt tatsächlich zum 30.09.2021 stillgelegt und auch kein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattfinden wird."

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin mit Schreiben vom 23. April 2021 zum 30. September 2021.

Im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Koblenz, Az. 7 Ca 1027/21, schlossen die Parteien am 25. Mai 2021 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO einen Prozessvergleich folgenden Inhalts (Bl. 27 f. d. A.):

"1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung vom 23.04.2021 mit Ablauf des 30.09.2021 aus betriebsbedingten Gründen (Betriebsstilllegung) sein Ende finden wird.

2. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zum Beendigungszeitpunkt ordnungsgemäß abzurechnen. Nich...

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