Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzugsvergütungsansprüche eines Arbeitnehmers in der Insolvenz des Arbeitgebers

 

Leitsatz (redaktionell)

Anahmeverzugsvergütungsansprüche eines Arbeitnehmers, die nach dem ersten Termin, an dem der Verwalter nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit das Arbeitsverhältnis kündigen konnte (§ 209 Abs. 2 Nr. 2 InsO), entstanden sind gelten als Masseverbindlichkeiten i.S. von § 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO und sind so zu behandeln, als wären sie nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden. Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt wird.

 

Normenkette

InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Trier (Entscheidung vom 27.01.2016; Aktenzeichen 4 Ca 644/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.02.2018; Aktenzeichen 6 AZR 95/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 27. Januar 2016, Az. 4 Ca 644/15, wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch über Annahmeverzugsvergütungsansprüche für die Zeit vom 1. Februar 2013 bis zum 30. November 2013.

Die 1956 geborene, verheiratete und gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin war seit dem Jahr 2001 bei Y. Z., Inhaber der Firma Y. Z. e. K. (im Folgenden: Insolvenzschuldner) als Filialleiterin beschäftigt, zuletzt zu einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.344,80 € (nach Angaben des Beklagten 2.392,00 €) in Teilzeit. Sie hat einen Grad der Behinderung von 40 und ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Dem Arbeitsverhältnis lagen ein Anstellungsvertrag aus dem Jahr 2001 (Bl. 161 d. A.), die Checkliste für Neueinstellungen vom 21. Juni 2001 (Bl. 98 f. d. A.) sowie die Betriebs- und Hausordnung (Bl. 100 ff. d. A.) zugrunde.

Über das Vermögen des Insolvenzschuldners wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Ulm - Insolvenzgericht - vom 28. März 2012 (Bl. 194 f. d. A.) das Insolvenzverfahren eröffnet und der hiesige Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Unter dem 28. Juni 2012 vereinbarten der Beklagte als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma Y. Z. e. K. und der Wirtschaftsprüfer W. S. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma Z. QX GmbH und der Gesamtbetriebsrat der Firma Y. Z. e. K. sowie der Firma Z. QX GmbH einen Interessenausgleich gemäß §§ 111 ff. BetrVG und § 125 InsO vom 28. Juni 2012 (im Folgenden: Interessenausgleich).

In "§ 4 Maßnahmen zur Umsetzung" des Interessenausgleichs heißt es unter Ziffer "2. Freistellungen und Kündigungen":

"Nachdem der Insolvenzverwalter derzeit nicht in der Lage ist, die Auslauflöhne zu bezahlen, werden die Mitarbeiter, die nicht zur Abwicklung des Unternehmens erforderlich sind, freigestellt.

(...)

Das Arbeitsentgelt für die Kündigungsfrist ist eine Masseverbindlichkeit (§ 55 Absatz 1 Ziffer 2 InsO) und gelangt zur Auszahlung, soweit noch hinreichend Masse vorhanden ist (von der Agentur für Arbeit gewährte Leistungen werden in Abzug gebracht).

Die Insolvenzverwalter verzichten auf die Einrede von tariflichen Ausschluss- und Verjährungsfristen."

"§ 6 Ausschlussklauseln, Verjährungsfristen" lautet:

"Die Insolvenzverwalter verzichten auf die Einrede von tariflichen beziehungsweise einzelvertraglichen Ausschlussfristen, sowie auf die gesetzlichen Verjährungsfristen, auch für Ansprüche der Arbeitnehmer, die aus rückständigen Vergütungssowie Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultieren."

Seit der Einstellung des Geschäftsbetriebs zum 30. Juni 2012 war die Klägerin von ihrer Arbeitsleistung durch den Beklagten freigestellt.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin erstmals mit Datum vom 6. August 2012 mit Zustimmung des Integrationsamtes zum Ablauf des 30. November 2012. Das Arbeitsgericht Trier gab der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage der Klägerin durch Urteil vom 7. März 2013 statt (Az. 4 Ca 1223/12). Das Urteil wurde dem Beklagten am 28. März 2013 zugestellt. Ein Rechtsmittel wurde nicht eingelegt.

Mit Schreiben vom 31. August 2012 zeigte der Insolvenzverwalter beim Amtsgericht Ulm - Insolvenzgericht - drohende Masseunzulänglichkeit an. Dies wurde durch das Amtsgericht Ulm mit Beschluss vom 3. September 2012 (Bl. 96 f. d. A.) bekannt gemacht.

Der Beklagte sprach am 28. August 2013 zum 30. November 2013 eine erneute Kündigung aus. Auch gegen diese erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Der Rechtsstreit wurde durch gerichtlichen Vergleich vom 6. April 2014 dahingehend beendet, dass das Arbeitsverhältnis zum Ablauf des 30. November 2013 geendet hat.

Die Klägerin bezog in der Zeit vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Dezember 2013 Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 1.246,80 € (Leistungsnachweis der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit L. vom 4. März 2014, Bl. 37 d. A.).

Mit der vorliegenden Klage vom 21. Mai 2015, dem Beklagten zugestellt am 8. Juni 2016, verfolgte die Klägerin Annahmeverzugsvergütungsanspr...

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