Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzrechtliche Einordnung eines Abfindungsanspruchs

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Abfindungsanspruch nach § 10 KSchG stellt eine Masseverbindlichkeit i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO dar, wenn das Auflösungsurteil auf einer unwirksamen Kündigung des Insolvenzverwalters beruht. Wurde das Arbeitsverhältnis hingegen noch vom Insolvenzschuldner selbst gekündigt, so handelt es sich auch bei einer erst nach Verfahrenseröffnung vom Arbeitsgericht durch Urteil dem Arbeitnehmer zugesprochenen Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG nur um eine einfache Insolvenzforderung.

 

Normenkette

InsO §§ 38, 55; KSchG §§ 10, 9; InsO § 209 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 55 Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 09.06.2016; Aktenzeichen 6 Ca 572/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 14.03.2019; Aktenzeichen 6 AZR 4/18)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 9.6.2016, AZ: 6 Ca 572/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren noch über die insolvenzrechtliche Einordnung eines Abfindungsanspruchs.

Der Kläger war seit dem 24.02.2014 als Buchhalter bei der späteren Insolvenzschuldnerin, der K Holzbearbeitungs GmbH & Co. KG beschäftigt. Diese kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17.12.2014 zum 15.01.2015 sowie im Verlauf des erstinstanzlichen Kündigungsschutzverfahrens mit Schriftsatz vom 26.01.2015 fristlos. Darüber hinaus stellte sie mit Schriftsatz vom 26.01.2015 (hilfsweise) den Antrag, das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG aufzulösen.

Am 01.04.2015 wurde über das Vermögen der K Holzbearbeitungs GmbH & Co. KG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt, gegen den der Kläger das Verfahren sodann fortgeführt hat.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigungen vom 17.12.2014 und 26.02.2015 beendet worden ist, sondern zu den bisherigen Arbeitsbedingungen fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

  1. Die Klage abzuweisen,
  2. das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 KSchG aufzulösen und einen etwaigen Abfindungsbetrag in der jeweiligen Höhe zur Insolvenztabelle festzustellen.

Der Kläger hat beantragt,

den Auflösungsantrag abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09.06.2016 der Kündigungsschutzklage insgesamt stattgegeben, das Arbeitsverhältnis jedoch gemäß § 9 KSchG zum 15.01.2015 aufgelöst und dem Kläger eine zur Insolvenztabelle festzustellende Abfindung gemäß § 10 KSchG in Höhe von 1.558,75 € zugesprochen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 9 - 17 dieses Urteils (= Bl. 213 - 221 d. A.) verwiesen.

Gegen das ihm am 06.07.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.08.2016 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 06.9.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 06.10.2016 begründet.

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, bei der ihm zugesprochenen Abfindung handele es sich - entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts - um eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dies entspreche einhelliger Meinung in der Kommentarliteratur.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 06.10.2016 (Bl. 271 f d. A.) sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom 12.04.2017 (Bl. 305 f d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das erstinstanzliche Urteil in Ziffer 3 des Urteilstenors dahingehend abzuändern, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 1.558,75 € als Masseverbindlichkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, bei der dem Kläger nach § 10 KSchG zustehenden Abfindung handele es sich nicht um eine Masseverbindlichkeit, sondern - wie vom Arbeitsgericht zutreffend ausgeurteilt - um eine Insolvenzforderung.

Wegen aller Einzelheiten des Vorbringens des Beklagten im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungserwiderungsschrift vom 24.11.2016 (Bl. 290 - 292 d. A.) sowie auf den Schriftsatz des Beklagten vom 18.04.2017 (Bl. 327 f d. A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist nach § 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft.

Wie der Beklagte in dem zwischen den Parteien geführten Parallelverfahren (Arbeitsgericht Kaiserlautern, AZ: 6 Ca 132/16= LAG Rheinland-Pfalz, AZ: 4 Sa 401/16) in der Güteverhandlung vom 30.10.2015 vorgetragen hat, beläuft sich die zu erwartende Insolvenzquote im Insolvenzverfahren über das Vermögen der K. Holzbearbeitungs GmbH & Co. KG auf lediglich zwei bis drei Prozent der angemeldeten Forderung. Der Kläger könnte daher, falls es sich bei seinem Abfindungsanspruch von 1.558,75 € um eine Insolvenzforderung handelt, voraussichtlich lediglich höchstens ca. 50,-- € aus der Insolvenzmasse erhalten. Demgegenüber könnte er, wie der Beklagte in der Berufungsverhandlung eing...

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