Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast des Arbeitnehmers für zusätzliche Vergütung von Überstunden. Ausnahmen von Beweislast des Arbeitnehmers hinsichtlich Überstunden. Gesundheitsschutz-Pausenzeiten: kein Ausnahmefall von Beweislast des Arbeitnehmers für angeordnete Überstunden. Pauschaler Vortrag zu Anordnung von Überstunden unbeachtlich

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Darlegungs- und Beweislast für die Erbringung vergütungspflichtiger Überstunden liegt im Grundsatz beim Arbeitnehmer.

2. Eine Erleichterung der Darlegungslast kommt in Betracht, wenn der Schutzzweck der Norm (zB NachwG) das erlaubt oder die Interessenlage der Streitparteien das gebietet. Das ist mit Blick auf die Anordnung oder Duldung von Überstunden in einem Vergütungsrechtsstreit vor dem Hintergrund von Normen, die dem Gesundheitsschutz und nicht dem Nachweisinteresse des Arbeitnehmers zu dienen bestimmt sind, nicht der Fall.

 

Normenkette

ArbZG § 16 Abs. 2, § 21a Abs. 3, 7; BGB § 611a Abs. 2, § 612 Abs. 1, § 618; GewO § 106; GRCh Art. 31 Abs. 2; NachwG § 2; RL 2003/88/EG Art. 1; ZPO § 130 Nr. 3, § 142 Abs. 1, § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 13.05.2020; Aktenzeichen 12 Ca 4032/19)

 

Tenor

  1. Berufung und Anschlussberufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 13. Mai 2020 - 12 Ca 4032/19 - werden zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Überstundenvergütung für den Zeitraum vom 17. Oktober 2016 bis zum 31. Mai 2019.

Der in A-Stadt wohnhafte Kläger war bei der Beklagten seit dem 17. Oktober 2016 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 4. Oktober 2016 (Bl. 24 ff. d.A) als IT-Techniker im Außendienst beschäftigt; die vereinbarte Probezeit endete mit dem 17. April 2017. Im Arbeitsvertrag der Parteien heißt es zudem, soweit hier von Bedeutung:

"§ 3 Vergütung

Die monatliche Bruttovergütung beträgt 2.650,00 Euro. Die Vergütung wird spätestens am 3. Werktag des Folgemonats fällig. Nach Ablauf der Probezeit erhöht sich die Bruttovergütung auf 2.800,00 Euro. [...]

[...]

§ 5 Arbeitszeit/Überstunden

Die Arbeitszeit richtet sich nach der betriebsüblichen Zeit und beträgt derzeit monatlich 160 Stunden ohne die Berücksichtigung von Pausen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, aus dringenden betrieblichen Erfordernissen eine Änderung der Arbeitszeiteinteilung vorzunehmen sowie Mehrarbeit anzuordnen.

[...]

§ 10 Ausschlussklausel

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit diesem in Verbindung stehen, sind innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, sind verfallen. Haftungsansprüche aus vorsätzlicher Schädigung unterfallen dieser Ausschlussfrist nicht."

Die Tätigkeit des Klägers erfolgte in zwei unterschiedlichen Einsatzbereichen. Zum einen war dies der sogenannte Onsite-Support, worunter in der Regel längerfristige Tätigkeiten vor Ort bei demselben Kunden zu verstehen sind. Zum anderen handelte es sich um den sogenannten Field-Service, womit die technische Betreuung bei wechselnden Kunden bzw. unterschiedlichen Betriebsstätten eines Kunden verstanden wird. Hierbei ging es regelmäßig um Störungsbehebungen oder Aufträge zum Austausch oder zur Installation neuer Hard- oder Software. Diese Einsätze waren oft von geringer Dauer, aber mit Anfahrten verbunden (Bl. 67 f. d.A).

Die Arbeit des Klägers brachte es mit sich, dass er - auch am Wochenende - Einsätze bei Kunden der Beklagten vor Ort hatte. Allerdings erfasste die Beklagte trotz Ausstattung der Dienstfahrzeuge mit einem GPS-Gerät nicht die Wegezeiten als Arbeitszeit, sondern lediglich die An- und Abmeldungen beim Kunden. Aus diesem Grund erfasste der Kläger seine Bewegungen über eine Anwendung auf seinem Mobiltelefon (Bl. 3 d.A).

Mit Schreiben vom 2. März 2018 wies der Kläger die Beklagte darauf hin, dass auch seine Wegezeiten als Arbeitszeit zu vergüten seien. Er bat sie unter Fristsetzung bis zum 20. März 2018 um Mitteilung, wie sie gedenke, die "in erheblichem Umfang in der Vergangenheit erbrachte Mehrarbeit" zu vergüten.

In der weiteren Korrespondenz teilte die Beklagte mit, den Vorgang prüfen zu wollen und berief sich schließlich auf die arbeitsvertragliche Ausschlussklausel. Unter Hinweis auf § 309 Nr. 13 Buchst. b BGB hielt der Kläger an seiner Vergütungsforderung fest.

Der Kläger hat vorgetragen:

Er habe im streitgegenständlichen Zeitraum der Jahre 2016-2019 nach Maßgabe seiner Arbeitszeitaufstellung (Bl. 3-19 d.A) überstundenrelevant gearbeitet. Die Zeitaufstellung des Klägers folgt dabei für jeden einzelnen Tag dem Schema:

Tagesdatum

Wochentag

Uhrzeit Arbeitsbeginn

Uhrzeit Arbeitsende

Saldo der Pausenzeit in Stunden und Minuten

Gesamtarbeitszeit des jeweiligen Tages in Stunden und Minuten

Summe der Wochenarbeitszeit in Stunden und Minuten

17 Oct

Mo

7: 30

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