Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufrechnung mit rechtwegfremden Gegenforderungen unter stillschweigender Bejahung des Arbeitsrechtswegs

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 65 ArbGG prüft das Berufungsgericht nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Die Prüfungssperre des § 65 ArbGG besteht auch bei einer Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Aufrechnung mit einer rechtswegfremden Gegenforderung.

2. Wird die Zulässigkeit des Rechtswegs für die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen von keiner Partei gerügt, ist eine Vorabentscheidung des Arbeitsgerichts nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht geboten.

3. Hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen in Bezug auf die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen stillschweigend dadurch bejaht, dass es über die Gegenforderungen in der Sache entschieden hat, ist das Berufungsgericht gemäß §§ 17a Abs. 5 GVG, 65 ArbGG gehindert, die Frage des Rechtswegs zu prüfen.

 

Normenkette

ArbGG § 65; BGB §§ 389, 394, 615; ZPO § 850 Abs. 1, §§ 850c, 850e; GVG § 17a Abs. 3 S. 2, Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 15.07.2015; Aktenzeichen 7 Ca 518/15)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 15. Juli 2015 - 7 Ca 518/15 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt insgesamt neu gefasst:

    1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2014 608,12 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juni 2015 zu zahlen.
    2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate Dezember 2014 bis Februar 2015 insgesamt 8.610,00 € brutto abzüglich 4.434,45 € netto und abzüglich weiterer 482,49 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. Juni 2015 zu zahlen.
    3. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Arbeitszeugnis zu erteilen, welches sich auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstreckt.
    4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 9/20 und der Beklagte zu 11/20.

  • III.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Vergütung für die Monate November 2014 bis Februar 2015 und Urlaubsabgeltung.

Der Kläger war beim Beklagten, seinem Vater, als Fliesenleger in Vollzeit mit einem vereinbarten Stundenlohn von 17,50 € brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) Anwendung.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2014 kündigte der Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis wegen Arbeitsmangel zum 30. November 2014. Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 10. November 2014 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein eingereichten Klage (Az.: 7 Ca 2046/14) gewandt. In diesem vorangegangenen Kündigungsrechtsstreit hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein nach Annahme eines gerichtlichen Vergleichsvorschlags mit Beschluss vom 23. Februar 2015 (Bl. 4, 5 d. A.) gemäß § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen eines Vergleichs zwischen den Parteien festgestellt, nach dem ihr Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 27. Oktober 2014 zum 28. Februar 2015 beendet wird. Der Beschluss ist den Prozessbevollmächtigten der Parteien am 02. März 2015 zugegangen.

Für den Monat November 2014 erteilte der Beklagte dem Kläger eine Abrechnung über einen Bruttobetrag in Höhe von 2.756,25 €, der nach den darin ausgewiesenen steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Abzügen und dem unter der Bezeichnung "AN-Anteil Winterbauuml." ausgewiesenen Abzug einen Auszahlungsbetrag in Höhe von 1.768,95 € ergibt (Bl. 33 d. A.). Hierauf zahlte der Beklagte an den Kläger lediglich einen Nettobetrag in Höhe von 1.000,00 € netto aus.

Ab Dezember 2014 bezog der Kläger gemäß dem Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 12. Februar 2015 (Bl. 216 bis 218 d. A.) Arbeitslosengeld; wegen der Höhe des im streitgegenständlichen Zeitraum gezahlten Arbeitslosengeldes wird auf die als Anlage K 4 zum Schriftsatz des Klägers vom 27. Mai 2015 vorgelegte Aufstellung (Bl. 34 d. A.) und den Bescheid vom 12. Februar 2015 verwiesen.

Mit Schreiben vom 03. März 2015 (Bl. 6 d. A.) forderte der Kläger den Beklagten auf, den rückständigen Lohn für die Monate November, Dezember, Januar und Februar bis spätestens 15. März 2015 zu zahlen und darüber hinaus den ihm noch zustehenden Urlaubsanspruch abzugelten sowie ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt für die Monate November 2014 bis Februar 2015 Vergütungsansprüche in Höhe von 11.828,00 € brutto abzüglich bereits gezahlter 1.000,00 € netto und abzüglich Arbeitslosengeldes in Höhe von 4.434,45 € ne...

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