Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsfolgen des Versterbens eines Arbeitnehmers hinsichtlich seiner Urlaubsansprüche

 

Leitsatz (amtlich)

Urlaubsansprüche erlöschen nicht, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers endet. Der Urlaubsanspruch wandelt sich in einen Urlaubsabgeltungsanspruch des Erben um.

 

Normenkette

BGB § 1922 Abs. 1; BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 09.09.2015; Aktenzeichen 1 Ca 468/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.01.2019; Aktenzeichen 9 AZR 10/17)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 9.9.2015 - 1 Ca 468/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Urlaubsabgeltungsanspruch.

Die Klägerin ist Alleinerbin ihres am 30.01.2015 verstorbenen Vaters, der seit dem 19.03.2008 bis zu seinem Tod bei den US-Stationierungsstreitkräften als Kraftfahrer beschäftigt war. Die vertragsgemäße Arbeitsvergütung des Erblassers belief sich zuletzt auf 2.555,26 € brutto monatlich. Auf das Arbeitsverhältnis fanden aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des TV AL II Anwendung.

Seit dem Jahr 2012 war der Erblasser durchgehend arbeitsunfähig krank. Nach Behauptung der Beklagten bezog er ab dem 30.01.2014, nach Behauptung der Klägerin (erst) ab dem 07.02.2014 Arbeitslosengeld.

Mit ihrer am 09.04.2015 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat die Klägerin die Beklagte, wie bereits zuvor mit Schreiben vom 09.02.2015 unter Fristsetzung bis zum 27.02.2015, auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 7.430,22 € brutto in Anspruch genommen. Im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin ihre Klage reduziert und zuletzt noch die Zahlung von Urlaubsabgeltung für insgesamt 53 Tage (20 Tage für das Jahr 2013, 30 Tage für das Jahr 2014 und 3 Tage für das Jahr 2015) in Höhe von insgesamt 6.250,82 € brutto begehrt.

Die Klägerin hat (zuletzt) beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.250,82 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.02.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 09.09.2015 (Bl. 43 - 45 d.A.).

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 09.09.2015 in Höhe von 4.717,60 € brutto nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 - 6 dieses Urteils (= Bl. 45 - 47 d.A.) verwiesen.

Gegen das ihr am 10.11.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.12.2015 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 11.01.2016, begründet.

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Klage sei unbegründet, da mit dem Tod des Erblassers kein Urlaubsabgeltungsanspruch auf die Klägerin als Erbin übergegangen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wandele sich der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit seinem Tod nicht in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um. Ende das Arbeitsverhältnis mit dem Tod des Arbeitnehmers, so erlösche zugleich dessen Urlaubsanspruch mit der Folge, dass kein Urlaubsabgeltungsanspruch entstehen könne. Dem stehe auch Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG nicht entgegen. Dort finde sich nämlich an keiner Stelle eine Regelung, wonach der Abgeltungsanspruch im Falle des Ablebens des Arbeitnehmers dem Erben zustehen solle. Dementsprechend habe sich auch der EUGH in seiner Entscheidung vom 12.06.2014 - C-118/13 - zu dieser Frage nicht geäußert.

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 11.01.2016 (Bl. 67 - 70 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 18.03.2016 (Bl. 84 - 86 d.A.), auf die Bezug genommen wird.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung ist zulässig.

Sie ist an sich statthaft (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64 Abs. 2 Ziff. b ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO).

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht zum Teil stattgegeben. Die Klägerin hat als Gesamtrechtsnachfolgerin (§ 1922 Abs. 1 BGB) gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Abgeltung des beim Tod des Erblassers noch offenen Anspruchs auf Gewährung von 40 Urlaubstagen in Höhe des erstinstanzlich ausgeurteilten Betrages von 4.717,60 € brutto.

1. Bis zu seinem Tode am 30.01.2015 standen dem Erblasser - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - aus den Jahren 2013 und 2014 jedenfalls noch Urlaubstage im Um...

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