Entscheidungsstichwort (Thema)

Unpfändbarkeit einer Zahlung als "Corona-Bonus". Unpfändbarkeit von umgewandelten Entgeltbestandteilen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Zahlung eines "Corona-Bonus" i.H.v. € 500,00 ist als Erschwerniszulage nach § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Sein Zweck liegt in der Kompensation einer coronabedingten tatsächlichen Erschwernis bei der Arbeitsleistung.

2. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer eine Direktversicherung abschließt und dass ein Teil der künftigen Entgeltansprüche des Arbeitnehmers durch Entgeltumwandlung für seine betriebliche Altersversorgung verwendet wird, liegt insoweit kein pfändbares Arbeitseinkommen mehr vor. Das gilt auch dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien die Entgeltumwandlungsvereinbarung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitnehmers getroffen haben.

 

Normenkette

ArbGG § 67; InsO § 35; ZPO § 850a Nr. 3, § 850 Abs. 2; EStG § 3 Nr. 11a; BetrAVG § 1a Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 06.09.2022; Aktenzeichen 4 Ca 134/22)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 6. September 2022, Az. 4 Ca 134/22, abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 1.881,52 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Januar 2022 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

  2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 27 % und die Beklagte 73 % zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung von pfändbaren Lohnbestandteilen.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 8. August 2017 eröffneten Insolvenzverfahren (AG Pirmasens 1 IN 56/17) über das Vermögen des Schuldners E. E.. Dieser ist seit dem 1. Juli 2017 bei der Beklagten, die eine Spedition betreibt, als Arbeitnehmer beschäftigt. Er wurde am 23. Juli 2020 erstmals Vater; zuvor hatte er keine Unterhaltspflichten. Die Beklagte führte in den Jahren 2017 und 2018 den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens des Insolvenzschuldners an den Kläger ab. Ab dem Jahr 2019 leistete sie keine Zahlungen mehr. Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung der pfändbaren Lohnbestandteile für die Jahre 2019 bis 2021 in Höhe von insgesamt € 2.578,88. Bei der Berechnung berücksichtigt er ab Juli 2020 die gesetzliche Unterhaltspflicht für ein Kind.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 2.578,88 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2022 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 6. September 2022 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und - zusammengefasst - ausgeführt, der Kläger habe die pfändbaren Beträge zutreffend berechnet. Er habe insbesondere die Unterhaltspflicht des Insolvenzschuldners für ein Kind ab Juli 2020 berücksichtigt. Die Beklagte habe nicht dargelegt, was an den Berechnungen des Klägers nicht zutreffen soll. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 6. September 2022 Bezug genommen.

Die Beklagte hat gegen das am 6. Oktober 2022 zugestellte Urteil mit am 6. Oktober 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 6. Januar 2023 verlängerten Frist mit am 5. Januar 2023 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie trägt vor, sie habe dem Insolvenzschuldner laut Abrechnung für den Monat November 2020 zusätzlich zum Monatslohn einen Corona-Bonus iHv. € 500,00 gezahlt. Diese Prämie sei unpfändbar. Am 22. September 2020 habe sie mit dem Insolvenzschuldner eine Entgeltumwandlungsvereinbarung mit Wirkung ab 1. Oktober 2020 geschlossen. Diese habe eine betriebliche Altersversorgung im Wege einer Renten-Direktversicherung nach § 3 Nr. 63 EStG bei der F. Lebensversicherungs-AG (Versicherungsschein Nr. ..-.........) zum Gegenstand. Die monatlich in die Direktversicherung eingezahlten Beiträge von € 200,00 seien nicht pfändbar.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 6. September 2022, Az. 4 Ca 134/22, abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der neue Vortrag der Beklagten sei präkludiert. In Bezug auf die Corona-Prämie sei nicht vorgetragen, warum es sich um eine unpfändbare Erschwerniszulage gemäß § 850a Nr. 3 ZPO handeln soll. Sollte die vorgetragene betriebliche Altersversorgung tatsächlich die pfändbaren Beträge vermindern, beträfe dies den Zeitraum ab Oktober 2020. In diesem Fall würde sich d...

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