Entscheidungsstichwort (Thema)

Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit für eigenen Betriebsteil

 

Leitsatz (redaktionell)

Für einen eigenen Betriebsteil im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne muss ein Werk mindestens über eine Person als Leitungsmacht verfügen. Denn von dieser müssen die Weisungsrechte vor Ort ausgehen.

Die absolute Entfernung zwischen mehreren Werken ist unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, ob wegen der Entfernung eine ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft durch den Betriebsrat noch möglich erscheint.

 

Normenkette

BetrVG §§ 1, 4, 18 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 19.06.2018; Aktenzeichen 5 BV 1/18)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach- vom 19.6.2018, Az.: 5 BV 1/18, wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten des vorliegenden Beschluss-, Beschwerdeverfahrens streiten darüber, ob die Betriebsstätte der Beteiligten zu 1) in G-Stadt eine betriebsratsfähige Organisationseinheit darstellt.

Die Beteiligte zu 1) mit Sitz in A-Stadt betreibt insgesamt 3 Betriebsstätten. Im Hauptbetrieb in A-Stadt werden 347 Mitarbeiter (einschließlich der Auszubildenden) beschäftigt. Im Werk II in A-STADT werden weitere 16 Mitarbeiter sowie im Werk III in G-Stadt 44 Mitarbeiter (einschließlich der Auszubildenden) beschäftigt. Hinsichtlich der Organisationsstruktur bei der Beteiligten zu 1) unter Einschluss aller Betriebsstätten wird auf die am 31.08.2017 erstellten Organigramme Bezug genommen (vgl. Bl. 12 - 14 d. A.).

Bis zum 30.06.2016 bestand in der Betriebsstätte G-STADT eine Leitungsebene, die Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen hat, in Form des Betriebsleiters, Herrn Sch., der zum 30.06.2016 das Unternehmen verlassen hat. Für den Hauptbetrieb und das Werk II besteht ein einheitlicher Betriebsrat. Für die Betriebsstätte in G-STADT ist ebenfalls ein Betriebsrat gebildet worden. Nach Weggang des Betriebsleiters Sch. wurde die Position des Betriebsleiters im Werk III in G-STADT nicht neu besetzt. Das Werk III untersteht unmittelbar dem im Hauptbetrieb A-STADT angesiedelten Produktionsleitungsteam, bestehend aus den Mitarbeitern C. und J.. Im Wesentlichen werden im Werk III optische Elemente montiert und Linsen gefertigt. die Produktionsstätte in G-STADT, Werk III, ist in die Produktionsbereiche "Supply Chain Management" und "Produktion" gegliedert. Im Bereich Supply Chain Management werden alle kaufmännischen Prozesse im Produktionsverlauf, einschließlich Logistik und Administration, zusammengefasst. Im Bereich Produktion laufen die operativen Produktionsprozesse ab. Ansprechpartner für das Produktionsleitungsteam A-STADT sind im Bereich Supply Chain Management Frau A., bei Abwesenheit von Herrn W. vertreten, und für den Produktionsbereich Herr K., bei Abwesenheit von Frau A. vertreten. Auf das zum Werk III vorgelegte Organigramm wird Bezug genommen (Bl. 15 d. A.).

Die Produktionsleitung in A-STADT gibt den Produktionsplan für das Werk III in allen Einzelheiten vor und anschließend erfolgt die Umsetzung in G-STADT. Ein eigener Betriebszweck wird in G-STADT nicht verfolgt. Zur Organisation und Leitung der Produktionsprozesse in G-STADT werden regelmäßig im Rahmen von Fix-Terminen wöchentlich zwei umfangreiche Telefonkonferenzen unter Beteiligung von Frau A. und Herrn K. von Werk III und dem Produktionsleitungsteam in A-STADT durchgeführt. Die Produktionsleiter aus A-STADT sind mindestens einmal im Monat vor Ort in G-STADT. Diese Organisations- und Leitungsstruktur wurde nach Wegfall der Betriebsleitungsebene im Werk III ab Juli 2016 nach und nach eingerichtet. Zusätzlich zu der zentralen Produktions- und Projektplanung sowie Leitung erfolgt auch die Festlegung des Bedarfs an Arbeitsmitteln, IT und EDV zentral vom Hauptbetrieb in A-STADT aus. Die Entscheidungsbefugnisse der Mitarbeiter K. und A. in Werk III bezieht sich im Kern auf die ihnen jeweils zugeordneten fachlich-inhaltlichen Bereiche. Die disziplinarische Verantwortung ist allein im Hauptbetrieb in A-STADT angesiedelt.

Mit der Änderung der Organisationsstruktur seit Juli 2016 wurde auch eine zentrale Steuerung des gesamten Personalwesens und der Buchhaltung eingerichtet. Das Personalwesen untersteht dem im Hauptbetrieb A-STADT installierten Personalleiter, Herrn B., die Verwaltung, gleichfalls in A-STADT angesiedelt, dem Leiter der Finanzen, Herrn C. Sämtliche wesentlichen Arbeitsbedingungen und Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten werden zentral vom Hauptbetrieb in A-STADT vorgegeben bzw. entschieden. Sämtliche Personalakten und Unterlagen werden zentral im Hauptbetrieb in A-STADT geführt.

Die Festlegung der Arbeitszeiten im Werk III wird im Werk III vorgenommen in Ausfüllung einer bestehenden Betriebsvereinbarung. Sämtliche Überstunden sowie jegliche Schichtarbeit müssen Mitarbeiter vom Werk III bei der Personal- bzw. Produktionsleitung im Hauptbetrieb in A-STADT beantragen und ...

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