Entscheidungsstichwort (Thema)

Abänderung eines von den Tarifvertragsparteien geschlossenen Verbandstarifvertrages durch firmenbezogenen Verbandstarifvertrag im Bereich der chemischen Industrie. Unbegründete Feststellungsklage einer Sachbearbeiterin auf Anwendung eines bestimmten Tarifvertrages nach Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dieselben Tarifvertragsparteien können wirksam eine Ablösung oder (teilweise) Abänderung eines von ihnen geschlossenen Tarifvertrages durch eine Neuregelung vereinbaren.

2. Eine solche (teilweise) Neuregelung durch die Tarifvertragsparteien eines Verbandstarifvertrages kann auch durch einen firmenbezogenen Verbandstarifvertrag erfolgen.

3. Das Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG) stellt eine Kollisionsregelung für das Verhältnis von schwächeren zu stärkeren Rechtsnormen dar. Es ist nicht anzuwenden, wenn mehrere tarifvertragliche und damit gleichrangige Regelungen zusammentreffen.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 Sätze 1-2; TVG § 4 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 14.04.2015; Aktenzeichen 12 Ca 2415/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Az 12 Ca 2415/14 - vom 14. April 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Entlohnung der Klägerin nach dem - aus ihrer Sicht - jeweils einschlägigen Entgelttarifvertrag für die chemische Industrie einschließlich der entsprechenden Eingruppierung nach der Entgeltgruppe E 09K sowie über Vergütungsrückstände.

Die Beklagte ist auf dem Gebiet der Verarbeitung und Entwicklung hochwertiger flexibler Packstoffe tätig und führender Erzeuger von Verpackungen für Lebensmittel und Hersteller von Folien. Sie beschäftigt am Standort C-Stadt circa 250 Mitarbeiter. Im dortigen Betrieb existiert ein Betriebsrat.

Die Klägerin ist seit dem 1. Juli 2007 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zunächst als "Sachbearbeiterin Vertrieb Innendienst in der Abteilung Customer Service - Customer Goods" beschäftigt.

Sie war von August 2012 bis zum 1. September 2014 Mitglied der IG Bergbau, Chemie, Energie.

Der mit C. C-Stadt am 11. Mai 2007 abgeschlossene Arbeitsvertrag (Bl. 6 ff. d. A.) enthält unter anderem folgende Regelung:

"Für das Arbeitsverhältnis gelten die zwischen dem Landesverband chemische Industrie Rheinland-Pfalz e. V. und den zuständigen Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung.

Ihr monatliches Bruttogehalt beträgt unter Eingruppierung in die Tarifgruppe E 09 (Anfangssatz) des für unser Unternehmen geltenden Entgelttarifvertrages der Chemischen Industrie Rheinland-Pfalz (z. Zt. 94 %)

(...)

Ihr Anspruch auf Urlaubsgeld, die Jahressonderzahlung, den Jahresurlaub und Ihre sonstigen Arbeitsbedingungen richten sich nach den Bestimmungen unseres Manteltarifvertrages und den für unser Unternehmen geltenden Betriebsvereinbarungen in ihren jeweils gültigen Fassungen."

Auf der Vorstandssitzung des Landesverbandes Chemische Industrie Rheinland-Pfalz vom 20. März 2002 (Protokoll Bl. 310 ff. d. A.) wurde die Fortführung der Mitgliedschaft der C. Z. GmbH & Co. KG durch die C. Y. GmbH & Co. KG, als Zweigniederlassung C. C-Stadt im Verband unter neuem Namen gebilligt. Mit Wirkung zum 1. August 2012 vollzog sich sodann ein Betriebsübergang von der C. C-Stadt, Zweigniederlassung der C. Y. GmbH & Co. KG auf die Beklagte. Zugleich wurde die C. C-Stadt, Zweigniederlassung, als Zweigniederlassung der C. Y. GmbH & Co. KG aus dem Handelsregister gelöscht. Aus diesem Grund kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 31. August 2012 die Mitgliedschaft der C. C-Stadt, Zweigniederlassung und teilte dem Arbeitgeberverband Chemie Rheinland-Pfalz e. V. zugleich mit, dass es über ihre Verbandszugehörigkeit noch keine Entscheidung gebe.

Der "Bundesentgelttarifvertrag für die chemische Industrie West" vom 18. Juli 1987 in der Fassung vom 30. September 2004 (im Folgenden: BETV) enthält u.a. folgende Regelungen:

"§ 1 Räumlicher, persönlicher und fachlicher Geltungsbereich

Der Tarifvertrag gilt für den räumlichen, persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für die chemische Industrie, jedoch nicht für Auszubildende.

§ 2 Öffnungsklausel

Arbeitgeber und Betriebsrat können unter Berücksichtigung der tariflichen Mindestbestimmungen ergänzend zu diesem Tarifvertrag Betriebsvereinbarungen unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG abschließen. Bis zum In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages abgeschlossene andere tarifliche Bestimmungen ergänzende Betriebsvereinbarungen gelten unabhängig von dieser Öffnungsklausel weiter und können unter Beachtung des § 76 Absatz 6 BetrVG geändert werden.

§ 3 Allgemeine Entgeltbestimmungen

1. Der Bundesentgelttarifvertrag ist in Verbindung mit dem jeweils geltenden bezirklichen Entgelttarifvertrag Grundlage der Entgeltfestsetzung.

2. Die Arbeitnehmer werden entsprechend der von ihnen ausgeübten Tätigkeit in die Entgeltgruppe eingruppiert. Für die Eingruppierung in eine Entgeltgrup...

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