Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugang des Kündigungsschreibens bei Einwurf in den Hausbriefkasten während des späten Vormittags

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach objektiv zu bestimmenden gewöhnlichen Verhältnissen ist bei einem Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten zwischen 11:00 und 11:30 Uhr mit einer Kenntnisnahme noch am selben Tag zu rechnen.

2. Unerheblich ist, ob die Arbeitnehmerin nach der für sie üblichen Postlaufzeit ihren Briefkasten bereits am frühen Morgen kontrolliert, denn für die Frage des Zugangs einer Postsendung ist nicht auf die individuellen Verhältnisse der Arbeitnehmerin abzustellen sondern auf den Zeitpunkt, bis zu welchem das Austragen der Post gewöhnlicherweise abgeschlossen ist; üblicherweise kann erwartet werden, dass die Empfängerin einer um 11:18 Uhr in ihren Hausbriefkasten geworfenen Willenserklärung diese noch am selben Tag zur Kenntnis nimmt.

3. Unerheblich ist, ob die Arbeitnehmerin wegen einer Verletzung an der Ferse überhaupt nicht laufen konnte oder sie in ihrer Gehfähigkeit stark eingeschränkt gewesen ist; eine Kündigungserklärung geht auch dann zu, wenn die Empfängerin durch Krankheit, Urlaub, Haft oder sonstige Abwesenheit daran gehindert ist, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen.

 

Normenkette

BGB § 130 Abs. 1 S. 1, § 620 Abs. 2; KSchG § 4 S. 1, § 7

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 14.03.2013; Aktenzeichen 8 Ca 1956/12)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 14. März 2013, Az. 8 Ca 1956/12, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Zeitpunkt des Zugangs einer ordentlichen Kündigung.

Die 1954 geborene Klägerin war seit April 1992 im Gebäudereinigungsbetrieb der Beklagten als Unterhaltsreinigerin zu einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt EUR 764,00 in der 20-Stunden-Woche beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt ca. 500 Arbeitnehmer.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 08.10.2012 aus krankheitsbedingten Gründen ordentlich zum 31.05.2013. Hiergegen erhob die Klägerin am 30.10.2012 Kündigungsschutzklage. Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, das Kündigungsschreiben sei ihr erst am 16.10.2012 zugegangen. Die Beklagte hat vorgetragen, das Kündigungsschreiben sei der Klägerin am 08.10.2012 um 11:18 Uhr von den Zeugen M. B. und H. B. durch Einwurf in den Hausbriefkasten zugestellt worden.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat über die Behauptung der Beklagten Beweis erhoben durch Vernehmung der zwei Zeugen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.03.2013 Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14.03.2013 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die am 30.10.2012 erhobene Klage gegen die Kündigung vom 08.10.2012 sei verspätet, denn nach den übereinstimmenden Zeugenaussagen sei das Kündigungsschreiben am 08.10.2012 um 11:18 Uhr in den Briefkasten der Klägerin eingeworfen worden. Beide Zeugen seien glaubwürdig, ihre Aussagen glaubhaft. Die Behauptung der Klägerin, sie habe am 08.10.2012 um 11:18 Uhr ihren Briefkasten an diesem Tag bereits geleert gehabt, sei unerheblich. Ein Zugang am nächsten Tag sei erst dann anzunehmen, wenn ein Kündigungsschreiben erhebliche Zeit nach der allgemeinen Postzustellung in den Briefkasten eingeworfen werde. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Werfe ein Arbeitgeber um 11:18 Uhr, also zu einer gewöhnlichen Postzustellzeit, ein Kündigungsschreiben beim Arbeitnehmer ein, so dürfe er davon ausgehen, dass die Sendung noch an diesem Tag zugehe, ohne dass er zuvor die konkreten örtlichen Verhältnisse im Zustellbezirk des Arbeitnehmers überprüfen müsse. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 4 bis 7 des erstinstanzlichen Urteils vom 14.03.2013 Bezug genommen.

Gegen das Urteil, das ihr am 19.03.2013 zugestellt worden ist, hat die Klägerin am 19.04.2013 Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 19.06.2013 verlängerten Begründungsfrist mit am 19.06.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

Sie macht geltend, sie habe die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG gewahrt, weil ihr die Kündigung erst am 09.10.2012 zugegangen sei. Sie lebe allein und habe am frühen Morgen des 08.10.2012 nach dem für sie üblichen Postlauf den Briefkasten geleert. Sie sei zum Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung - unstreitig - arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Wenn sich ein Arbeitnehmer während einer Krankheit gewöhnlich zuhause aufhalte, sei von ihm nach der Verkehrsanschauung nicht zu erwarten, dass er nach den allgemeinen Postzustellzeiten den Briefkasten nochmals überprüfe. Sie sei aufgrund ihrer Fersenverletzung nicht in der Lage gewesen, zu laufen bzw. in ihrer Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt gewesen. Sie sei nach dem üblichen Postlauf davon ausgegangen, dass für diesen Tag die Post bei ihr eingegangen sei. Sie habe keine Veranlassung gehabt,...

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