Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Betriebsrats auf Unterlassung der Schließung einer Abteilung eines Krankenhauses

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei Betriebsänderungen besteht kein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats, der im Wege einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann. Dies folgt bereits daraus, dass der Gesetzgeber mit dem Nachteilsausgleich gem. § 113 Abs. 3 BetrVG anders als bei der Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG eine ausdrückliche Sanktion für die Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats vorgesehen hat. Daneben ist kein Raum für ein eigenständiger Betriebsrats zu einer präventiven Verhinderung eines vorzeitigen Abbruchs von Interessenausgleichsverhandlungen.

 

Normenkette

BetrVG §§ 111, 118; EGRL 14/2002 Art. 8 Abs. 2; ZPO §§ 936, 940; BetrVG § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 28.09.2017; Aktenzeichen 6 BVGa 8/17)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz vom 28. September 2017, Az. 6 BVGa 8/17, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Betriebsrat begehrt im Wege einer einstweiligen Verfügung, der Arbeitgeberin zu untersagen, eine Abteilung ihres Krankenhauses zu schließen. Außerdem soll ihr untersagt werden, betriebsbedingte Kündigungen oder Versetzungen bis zum Abschluss bzw. Scheitern von Verhandlungen über einen Interessenausgleich zu erklären bzw. durchzuführen. Sollte die Arbeitgeberin Arbeitnehmern bereits gekündigt oder sie versetzt haben, soll ihr aufgegeben werden, den betroffenen Arbeitnehmern Angebote auf Abschluss eines Arbeitsvertrags zu unterbreiten.

Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 2) ist eine Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes, sie betreibt in Rheinland-Pfalz mehrere Krankenhäuser. Sie ist als gemeinnützig anerkannt und den internationalen Grundsätzen der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung verpflichtet. Der Antragsteller (Beteiligter zu 1) ist der im D. Krankenhaus N. gebildete Betriebsrat. In diesem Krankenhaus waren am 31.08.2017 651 und am 28.09.2017 665 Arbeitnehmer beschäftigt. Das D. Krankenhaus N. hält gem. Landeskrankenhausplan 324 Planbetten vor, die Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe verfügte über 40 Planbetten, die zum 01.08.2017 auf 30 reduziert wurden (Bescheid vom 19.10.2017 des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie).

Träger des Krankenhauses war bis zum 31.12.1993 die Stadt N.. Am 31.03.1994 schlossen die Arbeitgeberin und die seinerzeit zuständige Gewerkschaft ÖTV einen Überleitungstarifvertrag. Hierin heißt es ua.:

"Präambel

Ziel dieses Vertrages ist die tarifrechtliche Überleitung des Personals des Stadtkrankenhauses N. zu der DRK Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz. Er findet Anwendung auf die im Zeitpunkt des Übergangs (01.01.1994) im Stadtkrankenhaus N. beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

...

§ 6

Es gelten in vollem Umfange alle Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes. Einschränkungen der Beteiligungsrechte des Betriebsrates unter dem Gesichtspunkt des "Tendenzschutzes" werden seitens der DRK Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz nicht erfolgen.

...

§ 13

Diese Vereinbarung gilt bis zum 31.12.1995 und verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn sie nicht von einer der beiden Vertragsseiten ... gekündigt wird."

In den Jahren 1999/2000 führten die Beteiligten vor dem Arbeitsgericht Koblenz ein Beschlussverfahren (5 BV 10/09) vor dem Hintergrund der Schließung der Abteilung Physikalische Therapie. Am 27.04.2010 schlossen sie einen Vergleich. Ziff. 1 des Vergleichs lautet wie folgt:

"Die Beteiligten vereinbaren, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat umfassend und zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben unterrichtet, bevor er mit der Umsetzung einer Maßnahme beginnt, bei der in Betracht kommt, dass es sich um eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG handelt. Die Unterrichtung erfolgt so, dass der Betriebsrat mindestens zwei Wochen Zeit hat, die vom Arbeitgeber überlassenen Informationen im Gremium zu beraten und ggf. Alternativvorschläge zu unterbreiten."

Am 13.09.2017 informierte die Arbeitgeberin den Betriebsratsvorsitzenden mündlich darüber, dass sie beabsichtige, die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe, in der 32 Arbeitnehmer beschäftigt sind, zum 31.12.2017 zu schließen. Ein Teil der betroffenen Arbeitnehmer war bereits im Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 01.01.1994 angestellt. Mit Schreiben vom 15.09.2017, das ihm am selben Tag zugegangen ist, informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat - auszugsweise - wie folgt:

"... wir beabsichtigen zum 31. Dezember 2017 die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe des D. Krankenhauses N. zu schließen. ...

ln der Abteilung ... sind zurzeit in den Bereichen ärztlicher Dienst, Pflegedienst sowie Hebammendienst insgesamt 32 Arbeitnehmer beschäftigt. Diesem Schreiben beigefügt ist eine Übersicht der in der Abteilung ... Beschäftigten mit den entsprechenden Sozialdaten.

... Die Abteilung ... wird leider seit Jahren nicht mehr von genügend Patientinnen nach...

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