Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwirkung als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Regelung im Arbeitsvertrag, wonach Zahlungsansprüche innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zugang der Gehaltsabrechnung geltend gemacht werden müssen, ist wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam. Eine geltungserhaltende Reduktion findet dabei nicht statt. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und soll nicht zur vorzeitigen Entlassung aus den Pflichten dienen.

 

Normenkette

BGB §§ 306, 307 Abs. 1 S. 1, § 611; ZPO § 286; BGB §§ 195 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 17.05.2018; Aktenzeichen Ca 2002/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 17.05.2018 - 8 Ca 2002/17 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsdifferenzen aus dem Jahr 2014.

Der Kläger war beim Beklagten seit dem 01. August 2013 als Kurierfahrer beschäftigt. Am 01. August 2013 wurde dem Kläger ein von Seiten des Beklagten unterzeichneter Arbeitsvertrag vom gleichen Tag (Bl. 32 - 35 d.A.) in zweifacher Ausfertigung ausgehändigt, der u.a. folgende Regelungen enthält:

"§ 1 Beginn des Arbeitsverhältnisses

Der Arbeitnehmer tritt am 01.08.2013 in Dienste der Firma ein. Die ersten drei Monate gelten als Probezeit. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von 7 Arbeitstagen ohne Angabe von Gründen gekündigt werden. Nach der Probezeit verlängert sich der Vertrag automatisch, wenn er nicht zwei Wochen vor Ablauf gekündigt wird.

(...)

§ 4 Vergütung

Die Vergütung wird jeweils zum betriebsüblichen Termin gezahlt, in der Regel bis zum 15. des nächsten Monat. Es wird ein Nettolohn in Höhe von 1.600 Euro vereinbart.

Der Arbeitnehmer erhält die gesetzlichen Verpflegungspauschalen steuerfrei ausbezahlt.

Die Zahlung der Vergütung erfolgt bargeldlos. Der Arbeitnehmer wird innerhalb von sieben Tagen nach Beginn des Arbeitsverhältnisses ein Konto errichten und dessen Nummer bzw. die Nummer eines schon bestehenden Konto mitteilen.

(...)

§ 12 Erfüllungsort und Gerichtsstand

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb zwei Wochen nach Zugang der letzten Gehaltsabrechnung geltend gemacht werden, andernfalls sind sie verwirkt. Gerichtsstand für beide Vertragspartner ist das für den Sitz des Unternehmens zuständige Arbeitsgericht."

(...)"

Nach der am 01. August 2013 erfolgten Arbeitsaufnahme wurde dem Kläger in der Folgezeit von Seiten des Beklagten unter dem 30. August 2013, 30. September 2013 und 23. Dezember 2013 jeweils eine "Ergänzung zum Arbeitsvertrag" (Bl. 82 - 84 d.A.) vorgelegt, nach der unter "§ 4 Vergütung" ein Bruttolohn in Höhe von 1.300,-- EUR vereinbart wird. Der Kläger lehnte dies jeweils ab und unterschrieb die ihm vorgelegten Ergänzungsverträge nicht.

Der Beklagte rechnete den monatlichen Lohn des Klägers stets mit einem Bruttobetrag von 1.300,-- EUR ab und zahlte den jeweiligen Nettolohn von etwas über 1.000,-- EUR an den Kläger aus. Wegen des vom Beklagten in der Zeit von Januar bis Dezember 2014 jeweils auf der Grundlage eines Monatslohns von 1.300,-- EUR brutto abgerechneten und an den Kläger ausgezahlten Nettolohns wird auf die vorgelegten Lohnabrechnungen für die Monate Januar bis Dezember 2014 verwiesen (Bl. 36 - 47 d.A.).

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos mit Schreiben vom 09. März 2017. Das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein hat der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage des Klägers mit Urteil vom 20. Juli 2017 - 8 Ca 544/17 - stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit - rechtskräftigem - Urteil vom 01. Februar 2018 - 5 Sa 357/17 - zurückgewiesen worden.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 03. August 2017 (Bl. 48, 49 d.A.) machte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Neuabrechnung und Nachzahlung seiner Vergütung unter Zugrundelegung eines monatlichen Nettolohns in Höhe von 1.600,-- EUR gemäß Arbeitsvertrag vom 01. August 2013 für den Zeitraum ab Januar 2014 geltend.

Mit seiner am 27. Dezember 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger unter Zugrundelegung eines Nettolohns von 1.600,-- EUR gemäß dem Arbeitsvertrag vom 01. August 2013 für die Zeit von Januar bis Dezember 2014 die sich hiernach ergebenden Vergütungsdifferenzen zu dem vom Beklagten jeweils abgerechneten und gezahlten Nettolohn geltend gemacht.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 17. Mai 2018 - 8 Ca 2002/17 - verwiesen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn für Januar 2014 577,06 EUR netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen,
  2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn für Februar 2014 578,94 EUR netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 ...

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