Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Kurierfahrers wegen tätlicher Übergriffe gegenüber Kollegen. Anforderungen an die Substantiierung der Kündigungsgründe

 

Leitsatz (redaktionell)

Im Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitgeber die dem Arbeitnehmer als Grundlage einer fristlosen Kündigung zur Last gelegte Pflichtverletzung substantiiert darzulegen. Die Behauptung, der Arbeitnehmer sei "extrem aggressiv" gewesen, habe einen Mitarbeiter "massiv bedroht" und seine "Handgreiflichkeiten nicht im Griff gehabt", reicht hierfür nicht aus.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 20.07.2017; Aktenzeichen 8 Ca 544/17)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 20. Juli 2017, Az. 8 Ca 544/17, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Gründe

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der 1989 geborene Kläger ist seit dem 01.08.2013 bei dem Beklagten als Kurierfahrer beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 01.08.2013 haben die Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden und einen monatlichen Nettolohn von € 1.600,00 vereinbart. Tatsächlich zahlte der Beklagte den gesetzlichen Mindestlohn von zuletzt € 8,84 brutto pro Arbeitsstunde und eine Verpflegungspauschale. Der Beklagte beschäftigt 13 Arbeitnehmer in Vollzeit.

Am Morgen des 09.03.2017 meldete sich der Kläger mit Rückenschmerzen arbeitsunfähig krank. Der behandelnde Arzt stellte ihm am 09.03.2017 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 15.03.2017, später eine Folgebescheinigung bis 24.03.2017 aus. Mit Schreiben vom 09.03.2017 erteilte der Auftraggeber des Beklagten, der Paketdienst G., dem Kläger mit sofortiger Wirkung ein Haus- und Hofverbot für das Depot in Mannheim sowie sämtliche anderen Betriebsstätten von G.. Ebenfalls mit Schreiben vom 09.03.2017 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Im Kündigungsschreiben heißt es:

"Sehr geehrter Herr A.,

nachdem Sie gestern erneut extrem aggressiv gegenüber den Mitfahrern waren, einen Mitarbeiter unserer Firma massiv bedroht haben und Ihre Handgreiflichkeiten nicht im Griff hatten, hat unser Auftraggeber, die Firma G., mit heutigem Datum Ihnen ein Hausverbot ausgesprochen. Aus diesem Grund sehen wir uns gezwungen Ihnen Ihr o.g. Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung fristlos zu kündigen.

Hiermit erinnern wir Sie, dass wir Sie mehrmals wegen Ihrer Aggression ermahnt haben.

Bitte denken Sie daran sich unverzüglich bei der Arbeitsagentur zu melden.

Hochachtungsvoll (Unterschrift)"

Gegen die am 11.03.2017 zugegangene Kündigung hat der Kläger am 31.03.2017 Kündigungsschutzklage erhoben. Er hat erstinstanzlich vorgetragen, er sei am 08.03.2017 von seinem Arbeitskollegen F. bedroht und geschubst worden. Von ihm selbst seien keinerlei Aggressionen oder Tätlichkeiten ausgegangen. Das Hausverbot des Paketdienstes G. sei daher unberechtigt. Der Beklagte sei verpflichtet, ihn anderweitig einzusetzen. Aufgrund des unmittelbaren zeitlichen Zusammenhangs zwischen der Krankmeldung und dem Ausspruch der fristlosen Kündigung sei davon auszugehen, dass die Kündigung eine Rache des Beklagten für die Krankmeldung sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 09.03.2017, ihm zugegangen am 11.03.2017, nicht beendet worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, der Paketdienst G. sei sein einziger Auftraggeber. Im Paketzentrum der G. sei es am 08.03.2017 zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen. Der Kläger sei gegen seinen Arbeitskollegen F. in brutaler Weise vorgegangen. Er habe den Kläger nach dem Vorfall gedrängt, sich bei G. und dem Mitarbeiter zu entschuldigen. Dies habe der Kläger rundweg abgelehnt. Der Kläger sei seit geraumer Zeit wiederholt aggressiv, beleidigend und auch tätlich gegenüber Kunden und Kollegen geworden, so dass er mehrfach von ihm und seiner Ehefrau abgemahnt worden sei. So habe es Beschwerden über den Kläger am 15., 19. und 21.09. sowie am 17.10.2016 gegeben. Nach jedem dieser Vorwürfe sei mit dem Kläger Rücksprache gehalten und er darauf aufmerksam gemacht worden, dass ein solches Verhalten auf Dauer nicht hinnehmbar sei.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat der Klage mit Urteil vom 20.07.2017 stattgegeben und zur Begründung zusammengefasst ausgeführt, eine Tätlichkeit gegenüber einem Arbeitskollegen sei nach § 626 Abs. 1 BGB grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zur Kündigung abzugeben. Der Beklagte habe versäumt, im Einzelnen darzulegen, wie sich die Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem Arbeitskollegen - von ihrer Entstehung bis zur Tätlichkeit - zugetragen hat. Der Beklagte habe den Vorfall vom 08.03.2017 weder konkret dargelegt noch unter Beweis gestellt. Die Erteilung des Hausverbots durch den Paketdienst G. stelle noch keinen Künd...

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