Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitgebereigenschaft. Betriebsratsanhörung. Geständnis. Verdachtskündigung. Zweiwochenfrist. Zwei-Wochen-Frist, Betriebsratsanhörung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Frage, wer Vertragspartei geworden ist, ist grundsätzlich anhand sämtlicher Umstände des konkreten Falls zu ermitteln. Entscheidend ist dabei neben dem Wortlaut der Vertragsurkunde die tatsächliche Handhabung des Vertragsverhältnisses. Der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien ist selbst dann maßgeblich, wenn er im Vertragstext keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat. Was sie über ihren übereinstimmenden Willen vortragen, steht im Zivilprozess zur Disposition der Parteien.

2. Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage ist die Frage, ob das Arbeitsverhältnis durch eine ganz bestimmte, in der Klage bezeichnete Kündigung aufgelöst wird oder nicht. Dabei ist eine Kündigungsschutzklage nur dann schlüssig erhoben, wenn der Kläger behauptet, zwischen ihm und dem Kündigenden bestehe ein Arbeitsverhältnis.

 

Normenkette

BGB § 626; ZPO § 288

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Urteil vom 28.08.2008; Aktenzeichen 3 Ca 905/07)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 23.03.2010; Aktenzeichen 9 AZN 1030/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.08.2008 – 3 Ca 905/07 – teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 1 bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 20.04.2007 beendet wurde.

2. Auf die Berufung der Beklagten zu 2 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 28.08.2008 – 3 Ca 905/07 – teilweise abgeändert.

Die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage wird abgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Kündigungen.

Der am 30.01.1954 geborene, verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.09.1996 Geschäftsführer der S. des L. R.. Das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt des Klägers betrug zuletzt 5.666,66 EUR.

Mit Schreiben vom 08.12.2004 erhielt der Kläger unter dem Briefkopf des Beklagten zu 1 eine von beiden Beklagten unterzeichnete Abmahnung, weil er zur Vorbereitung des Jugendlagers der Sportjugend während der Olympischen Sommerspiele Zahlungen veranlasst habe, ohne sich entsprechende Belege vorlegen zu lassen, wodurch ein Schaden von ca. 90.000,00 EUR entstanden sei.

Grundlage der streitgegenständlichen Kündigungen ist der Umstand, dass die für die Buchhaltung der Beklagten zu 2 zuständige Mitarbeiterin, die Zeugin E., in den Jahren 2000 bis 2006 fast eine Million Euro veruntreute, wofür nach Auffassung der Beklagten der Kläger mitverantwortlich war.

Am 17.04.2007 wurde der Kläger angehört. Am gleichen Tag informierte der Beklagte zu 1 den Betriebsrat über die beabsichtigte fristlose Kündigung des Klägers. Mit Schreiben vom 20.04.2007 widersprach der Betriebsrat der Kündigung.

Mit Schreiben vom 20.04.2007 erhielt der Kläger unter dem Briefkopf des Beklagten zu 1 eine von beiden Beklagten unterzeichnete fristlose Kündigung. Hiergegen hat der Kläger am 27.04.2007 Kündigungsschutzklage gegen den Beklagten zu 1 erhoben. Seine am 26.06.2007 gegen die Beklagte zu 2 erhobene Kündigungsschutzklage ließ das Arbeitsgericht Mainz mit Beschluss vom 24.01.2008 nachträglich zu. Nach Rechtskraft des Beschlusses stellten die Beklagten unstreitig, dass Arbeitgeber des Klägers der Beklagte zu 1 war.

Weitere Kündigungen erfolgten

  • durch die Beklagte zu 2 mit Schreiben vom 04.02.2008, dem Kläger zugegangen am 05.02.2008, fristlos,
  • durch den Beklagten zu 1 mit zwei identischen Schreiben vom 06.02.2008, dem Kläger zugegangen am 11.02.2008, fristlos,
  • durch die Beklagte zu 2 mit zwei identischen Schreiben vom 08.02.2008, dem Kläger zugegangen am 11.02.2008, ordentlich zum 30.09.2008,
  • durch den Beklagten zu 1 mit zwei identischen Schreiben vom 08.02.2008, dem Kläger zugegangen am 11.02.2008, ordentlich zum 30.09.2008.

Der Kläger hat vorgetragen:

Im Zusammenhang mit den Straftaten der Zeugin E. seien ihm keine Vorwürfe zu machen. Er habe Bar- und Verrechnungsschecks zur Auffüllung der Barkasse und zur Befriedigung von Forderungen Dritter unterschrieben, nicht aber solche, die auf die Zeugin E. ausgestellt gewesen seien und von ihr hätten eingelöst werden können. Wahrscheinlich habe die Zeugin E. Unterschriften gefälscht oder sie sich erschlichen. Er sei auch bezüglich des Kontos der Beklagten zu 2 nicht allein zeichnungsberechtigt gewesen, sondern eine Mitarbeiterin der Zentralkasse des Beklagten zu 1 habe mit unterschreiben müssen. Offenbar seien bei der Zentralkasse Einbuchungen ohne Prüfung der Belege erfolgt. Da der Beklagte zu 1 die Organisation vorgegeben habe, trage er die Verantwortung für die Schäden. Die Barkasse sei von ihm sowie dem Schatzmeister der Beklagten zu 2 alle zwei Monate überprüft worden. Im Übrigen seien Kontoauszüge und Belege stichprobenartig überprüft worden...

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