Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandswert. Kündigungen, mehrere. Mehrwert. Titulierungsinteresse. Vergleich. Zeugnis. Vergleichsmehrwert bei Einigung über Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses. Gegenstandswert bei mehreren Kündigungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Folgt auf eine Kündigung im nahen zeitlichen Zusammenhang zur Heilung möglicher Unwirksamkeitsgründe eine weitere Kündigung mit identischem Kündigungssachverhalt und wurden beide Kündigungen in einem Verfahren angegriffen, dann ist lediglich die erste Kündigung mit bis zu drei Bruttomonatsverdiensten zu bewerten, während die weitere Kündigung sich nicht gegenstandswerterhöhend auswirkt.

2. Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts setzt die Beseitigung eines Streits oder einer Ungewissheit der Parteien über den entsprechenden Regelungsgegenstand voraus. Ein sog. „Titulierungsinteresse” kann bei Aufnahme der bloßen Verpflichtung zur Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht als gegenstandswerterhöhend anerkannt werden.

 

Normenkette

RVG § 33 III

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Beschluss vom 22.09.2009; Aktenzeichen 8 Ca 1651/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.9.2009 – 8 Ca 1651/09 – wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.

2. Ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist nicht gegeben.

 

Tatbestand

I. Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung eines höheren Gegenstandswertes seiner anwaltlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit einem im Jahr 2009 vor dem Arbeitsgericht Mainz geführten Verfahren.

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1.10.2005 als Verkaufshelfer zu einem durchschnittlichen Bruttoverdienst von zuletzt 900,– EUR beschäftigt. Mit seiner Klage vom 20.7.2009 hat sich der Kläger gegen eine außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17.7.2009 gewendet und zusätzlich einen allgemeinen Feststellungsantrag auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gestellt. Nachdem die Beklagte am 23.7.2009 eine weitere, ordentliche Kündigung, die auf den gleichen Sachverhalt gestützt wurde, zum 31.8.2009 ausgesprochen hat, erweiterte der Kläger seine Klage entsprechend und griff auch diese weitere Kündigung an.

Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht endete am 20.8.2009 durch Vergleich. Neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.7.2009 protokollierten die Parteien im Vergleich unter anderem die umgehende Erteilung eines wohlwollenden Zeugnisses, welches über Führung und Leistung Aufschluss gibt, durch die Beklagte an den Kläger.

Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten der Beklagten hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 22.9.2009 den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfahren auf 2.700,– EUR und für den Vergleich auf 3.711,21 EUR festgesetzt.

Es hat dabei den allgemeinen Feststellungsantrag und die weitere Kündigung vom 23.7.2009 nicht werterhöhend berücksichtigt. Einen Mehrwert für die Aufnahme des Zeugnisses hat das Arbeitsgericht im Rahmen der Festsetzung des Gegenstandswertes für den Vergleich nicht angenommen.

Gegen diesen, dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 30.9.2009 zugestellten, Beschluss hat dieser mit Schriftsatz vom 8.10.2009, Eingang beim Arbeitsgericht Mainz am 12.10.2009, Beschwerde eingelegt, mit dem Ziel, den Gegenstandswert für das Verfahren aufgrund des allgemeinen Feststellungsantrages auf 3.600,– EUR und für die Regelung des Zeugnisses einen Vergleichsmehrwert festzusetzen.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und hat sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II. 1. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG statthaft. Sie wurde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführer ist gegeben. Eine (hinreichende) Beschwer setzt eine Abweichung zwischen der angegriffenen Entscheidung und dem ursprünglichen Begehr des Antragsstellers voraus (vgl. LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 07.07.2006 – 3 Ta 114/06). Da der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Festlegung des Vergleichsmehrwertes bzgl. des Zeugnisses nicht beziffert war, ist dieser dahingehend auszulegen, dass der übliche Gegenstandswert bei einem Streit über ein qualifiziertes Zeugnis begehrt wird. Durch die Nichtberücksichtigung des entsprechende Wertes im Rahmen der Festlegung des Gegenstandswertes für den Vergleich ist der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beschwert. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt auch 200,– EUR.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit sowohl für das Verfahren als auch für den Vergleich zutreffend festgesetzt.

Das Arbeitsgericht hat den ersten Kündigungsschutzantrag vom 20.7.2009 zu Recht mit drei Bruttomonatsverdiensten, also 2.700,– EUR bewertet.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Urteil vom 30.11.1984 – 2 AZN 572/82 (B) – NZA 1985, 369 ff. zu § 12 Abs. 7 ArbGG a.F.) und der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Beschwerdekammer (vgl. mit weite...

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