Entscheidungsstichwort (Thema)

Briefkasten. Kündigungsschreiben. Nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn ein Arbeitnehmer ein Kündigungsschreiben, welches ihm in seinen Briefkasten eingeworfen wurde, versehentlich ungelesen entsorgt, kann ihm keine nachträgliche Zulassung seiner Kündigungsschutzklage gewährt werden.

 

Normenkette

KSchG § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Beschluss vom 15.09.2006; Aktenzeichen 3 Ca 3144/05)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.09.2006 – 3 Ca 3144/05 – wie folgt abgeändert:

  1. Der Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 12.12.2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
  3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt.
 

Tatbestand

I.

Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 21.12.2005, beim Arbeitsgericht Mainz eingegangen am 22.12.2005, eine Kündigungsschutzklage gegen eine Kündigung des Beklagten vom 08.12.2005.

Der Kläger stellte in diesem Schriftsatz den Antrag:

”Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 08.12.2005 nicht beendet worden ist.”

Einen weiteren Antrag enthielt die Klageschrift nicht.

Der 1971 geborene, schwer behinderte Kläger ist seit 1987 bei dem Beklagten als Schreiner beschäftigt. Der Beklagte beschäftigt in seinem Betrieb zweiundzwanzig Mitarbeiter.

Das zuständige Bruttomonatsgehalt betrug 2.000,00 Euro brutto.

Der Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 50 % als schwer behinderter Mensch anerkannt. Er leidet an Multiple Sklerose.

Das Integrationsamt stimmte der beabsichtigten Kündigung des Beklagten mit Bescheid vom 24.11.2005 zu, der dem Beklagtenvertreter am 29.11.2005, dem Klägervertreter am 30.11.2005 zuging.

Dem Kläger wurde durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 29.12.2005 persönlich um 10.35 Uhr eine weitere Kündigung mit dem Datum 12.12.2005 in seinen Briefkasten eingeworfen. Diese Kündigung befand sich in einem C 6-Umschlag mit Sichtfenster, indem die Adresse des Klägers zu lesen war. Auf dem Briefumschlag selbst war der Absender nicht ersichtlich.

Der Kläger leert regelmäßig seinen Briefkasten abends. Die Leerung erfolgt so, dass, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr, er den Inhalt des Hausbriefkastens sichtet, Werbematerial und kostenlose Regionalzeitungen aussortiert und entsorgt und die sonstige Post sichtet. Vor dem Aussortieren sieht der Kläger den Inhalt der Werbebroschüren und eventuelle Regionalzeitungen sowie sonstiges Prospektmaterial durch. Er kontrolliert dabei die Prospekte und das Werbematerial dahingehend, ob Post dazwischen gerutscht ist. Dabei werden auch zusammengefaltete Sendungen, insbesondere auch die kostenlosen Regionalzeitungen, auseinander gefaltet und darauf gesichtet, ob Briefe oder dergleichen hineingerutscht sind.

Gegen die Kündigung vom 12.12.2005 erhob der Kläger im Gütetermin am 20.01.2006 durch Klageerweiterung Kündigungsschutzklage, indem er folgenden, weiteren Antrag stellte:

”Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 12.12.2005 beendet worden ist.”

Der Kläger trägt vor,

ihm sei das Kündigungsschreiben vom 12.12.2005 nicht zur Kenntnis gekommen. Den Verlust des Kündigungsschreibens könne er sich nur damit erklären, dass dieses mit der aussortierten Werbung weggeworfen worden sei, weil es in eine der Zeitungen oder der Prospektmaterialien hineingerutscht ist. Auch habe insofern eine Verwechslungsgefahr deswegen bestanden, da bei nicht frankierten und gestempelten Briefen nicht sofort ersichtlich sei, ob es sich um Werbematerial oder um sonstige Post handele.

Der Kläger hat im Kammertermin am 15.09.2006 neben der Stellung der Sachanträge darüber hinaus beantragt,

die im Termin zur Güteverhandlung am 20.01.2006 erhobene Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 12.12.2005 nachträglich zuzulassen.

Der Beklagte hat Klageabweisung bezüglich der Sachanträge gestellt und im Übrigen beantragt,

den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage zurückzuweisen.

Er hat vorgetragen,

das Vorbringen des Klägers würde eine nachträgliche Kündigungsschutzklage nicht zulassen, da es nicht erkennbar sei, dass er die ihm nach Lage der Umstände zuzumutende Sorgfalt im Sinne des § 5 Abs. 1 KSchG bei Leerung und Sichtung seines Briefkastens hat walten lassen.

Das Arbeitsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 15.09.2006 beschlossen, die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 12.12.2005 nachträglich zuzulassen.

In den Gründen des Beschlusses hat es ausgeführt, dass ein Arbeitnehmer an der Fristversäumung nach § 5 Abs. 1 KSchG kein Verschulden treffen darf, auch keine leichte Fahrlässigkeit. Auch unter Berücksichtigung dieses strengen Sorgfaltsmaßstabes würde der Kläger dennoch die Zulassungsvoraussetzungen nach § 5 KSchG erfüllen. Der Kläger habe ausreichende Vorsichtsmaßnahmen bei der Sich...

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