Entscheidungsstichwort (Thema)

Verzögerte Entscheidung Prozesskostenhilfe. Darstellung. unrichtige. Prozesskostenhilfe. Streitverhältnisse. Versagung. Gewährung von Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann vom Arbeitsgericht wieder aufgehoben werden, wenn sich nach Durchführung der Beweisaufnahme ergibt, dass der Antragsteller im Prozess falsch vorgetragen hat. Hat das Arbeitsgericht zum Zeitpunkt der Durchführung der Beweisaufnahme über das vollständig und formgerecht angebrachte PKH-Gesuch noch nicht entschieden, kommt in einem solchen Fall ausnahmsweise eine Versagung der beantragten Prozesskostenhilfe in Betracht.

 

Normenkette

ZPO § 124 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Beschluss vom 08.11.2004; Aktenzeichen 5 CA 1619/04)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern Bad Kreuznach – vom 08.11.2004 – 5 Ca 1619/04 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Das Arbeitsgericht traf im Rahmen des vom Kläger am 08.09.2004 eingeleiteten Kündigungsschutzverfahrens, für das der Kläger mit am 15.09.2004 eingegangenem Antrag die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt hatte, nach Vernehmung des Zeugen M auf Seite 6 des am 04.11.2004 verkündeten Urteils, folgende Feststellung:

„Auf Grund der Aussage des Zeugen M, an deren Richtigkeit die Kammer keinen Zweifel hat, steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger an diesem Tag das Fahrzeug seiner Ehefrau mit Dieselkraftstoff des Beklagten betankt hat und damit einen Diebstahl begangen hat.”

In Folge dieser Entscheidung lehnte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 08.11.2004 den gestellten Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsantrag des Klägers ab.

In der am 18.11.2004 eingegangenen sofortigen Beschwerde vertritt der Kläger u. a. die Auffassung, dass die Durchführung einer Beweisaufnahme die Schlüssigkeit seines Vortrages zeige und hinreichende Erfolgsaussichten gegeben gewesen wären. Vor der Beweiserhebung hätte rückwirkend Prozesskostenhilfe bewilligt werden müssen.

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht zur abschließenden Entscheidung vorgelegt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Akteninhalt einschließlich der vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige und statthafte sofortige Beschwerde des Klägers ist n i c h t begründet.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass dem Kläger die nachgesuchte Prozesskostenhilfe und Beiordnung zu versagen war.

Im Ansatz zutreffend ist die Auffassung der Beschwerde, dass es grundsätzlich nicht zu seinen Lasten des Klägers gehen kann, wenn es aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen zu einer Verzögerung über die Entscheidung zum Prozesskosten- und Beiordnungsgesuch kommt. Insoweit kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt an, zu dem das Gericht Prozesskostenhilfe bei ordnungsgemäßem und unverzüglichem Geschäftsgang bewilligen muss und musste. Dieser sogenannte Zeitpunkt der Bewilligungsreife wird als unentbehrlich angesehen, um den Antragsteller vor Nachteilen zu schützen, die eine für ihn unverschuldete Verzögerung des Verfahrens bringen würde. Das Abstellen auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife entspringt dem Regelungszusammenhang der Prozesskostenhilfenormen und auch der gerichtlichen Fürsorgepflicht im gesamten Bewilligungsverfahren (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 63. Auflage, § 119 Rz 25, 20). Wenn inzwischen jedoch feststeht, dass einer der Fälle des § 124 ZPO vorliegt, wonach das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe u. a. aufheben kann, wenn die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat (§ 124 Nr. 1 ZPO), gelten die aufgezeigten Grundsätze zum Bewilligungszeitpunkt nicht (vgl. u. a. LAG Düsseldorf, Beschluss vom 29.11.1999 – 15 Ta 553/99 –). Die Beschwerdekammer vertritt die Auffassung, dass bei verzögerter Entscheidung des Arbeitsgerichts über einen rechtzeitig gestellten Prozesskostenhilfeantrag die Versagung von Prozesskostenhilfe sowie einer Beiordnung in Betracht kommt, wenn – wie vorliegend – die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO – vorliegen. Es wäre mit den gesetzlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren, erst Prozesskostenhilfe zu bewilligen, um sie dann unu actu wieder aufzuheben.

Nach dem Stand der Rechtsprechung der Obergerichte (OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25.02.2003, – 4 W 75/02 –; OLG Koblenz, Beschluss vom 22.03.1999, – 2 W 69/99 –; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.06.1996 – 3 WF 158/95 –) kommt die Aufhebung der Prozesskostenhilfe in Betracht, wenn sich nach Durchführung der Beweisaufnahme ergibt, dass der Antragsteller falsch vorgetragen hat. Dem schließt sich die Beschwerdekammer auch für den Fall an, dass sich im Kündigungssc...

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