Entscheidungsstichwort (Thema)

Auflösungsantrag. Auflösung. Jugendvertreter. sonstigem

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Auflösungsantrag nach § 78 a Abs. IV BetrVG ist begründet, wenn die Weiterbeschäftigung des Auszubildenden dem Arbeitgeber unzumutbar geworden ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn zum Zeitpunkt der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses keine freien, ausbildungsgerechten Arbeitsplätze vorhanden sind (im Anschluß an BAG in ständiger Rechtsprechung, vgl. BAG, 24.07.91, EZA Nr. 21 zu § 78 a BetrVG 1972).

2. Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist auf die Verhältnisse im Unternehmen, und nicht auf die im Betrieb abzustellen Dem Arbeitgeber ist die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar, wenn er im Bereich des Unternehmens über freie Arbeitsplätze verfügt. Eine Beschränkung auf den Betrieb, dem der Auszubildende angehört, würde den durch § 78 a Abs. IV BetrVG angestrebten, besonderen Schutz der Jugendvertreter nicht gerecht.

3. § 78 a BetrVG soll einmal die Kontinuität der Arbeit der Jugendvertreter sichern; zum anderen soll er aber auch die Mitglieder der Jugendvertretung vor Nachteilen bewahren, die sich aus ihrer Tätigkeit in diesem betriebsverfassungsrechtlichen Organ ergeben können. Die erforderliche unternehmensbezogene Prüfung des Auflösungsantrages kann sich zwar nicht auf die Kontinuität der Jugendvertretung auswirken. Daß dieser Schutzzweck deshalb nicht erfüllt werden kann, rechtfertigt es jedoch nicht, den weiteren Schutzzweck zu vernachlässigen. Die Mitglieder betriebsverfassungsrechtlicher Organe setzen sich durch ihre Tätigkeit nicht selten der Gefahr aus, das Mißfallen des Arbeitgebers zu erregen. Sie sind deshalb in besonderem Maße sanktionsbedroht, was es rechtfertigt, ihnen einen besondern Schutz angedeihen zu lassen.

Diese Überlegungen verbieten es, die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitgeberin allein im Bereich der Ausbildungsstelle zu suchen. Nur damit wird den Jugendvertretern ein Bestandsschutz zugestanden, der im Bereich des § 1 KSchG allen Arbeitnehmern grundsätzlich zusteht.

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Beschluss vom 05.10.1995; Aktenzeichen 1 BV 1585/95)

ArbG Koblenz (Beschluss vom 05.10.1995; Aktenzeichen 1 BV 1585/95)

 

Tenor

I.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Aktz. 1 BV 1585/95 vom 5.10.95 wird kostenfällig zurückgewiesen.

II.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin (im folgenden Arbeitgeberin) beantragt die Auflösung der Arbeitsverhältnisse zwischen ihr und den Arbeitnehmern … Beteiligter zu 2.) und … (Beteiligter zu 3.). Die Beteiligten zu 2. und 3 sind Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung der Niederlassung der Antragstellerin in Koblenz. Sie haben ihr Ausbildungsverhältnis am 20.06.1995 beendet und bereits am 10.05.1995 ihre Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis beantragt. Die Arbeitgeberin hat mit Schreiben vom 09.02.1995 die Übernahme abgelehnt. Die Arbeitgeberin lehnt die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Bezugnahme auf einen von ihrem Vorstand beschlossenen Einstellungsstop ab. Sie plant eine Senkung des Beschäftigtenstandes um 30.000 Arbeitnehmer bis zum Jahre 2000. Die … hat am 04.02.1994 eine Besetzungssperre erlassen, die auch die Übernahme von Nachwuchskräften betrifft.

In einem Schreiben vom 13.12.1994 hat die … die … darauf hingewiesen, daß von den 1.400 Kaufleuten für Bürokommunikation (KFB), die im Jahre 1995 ihre Ausbildung abschlossen, lediglich 400 zu übernehmen seien. Die Übernahme sollte nach Maßgabe einer Quotenregelung erfolgen, die für die einzelnen Organisationseinheiten bestimmte Einstellungsquoten vorsah. Der Niederlassung …, in der die Beteiligten zu 2. und 3. ihre Ausbildung absolvierten, war dabei keine Einstellungsmöglichkeit eröffnet worden.

Die Antragstellerin begehrt die Auflösung des mit den Beteiligten zu 2. und 3. begründeten Arbeitsverhältnisses. Sie trägt dazu vor:

Ihr könne die Weiterbeschäftigung der Beteiligten zu 2. und 3. gem. § 78 a Abs. IV Nr. 2 BetrVG nicht zugemutet werden. Die Mitgliedschaft der Beteiligten zu 2. und 3. in der Jugendvertretung sei für diese Entscheidung unterheblich gewesen. Von den acht Kaufleuten für Bürokommunikation, die 1995 ihre Ausbildung abgeschlossen hätten, sei keiner in ein Arbeitsverhältnis übernommen worden.

Der Niederlassung … sei keine Einstellungsquote zugewiesen worden. Dies bedeute, daß die Beteiligten zu 2. und 3. in dieser Niederlassung nicht weiter beschäftigt werden könnten. Die Vorgaben der Generaldirektion seien für die Niederlassung bindend. Der Niederlassung sei es deshalb nicht möglich, das Arbeitsverhältnis mit den Beteiligten zu 2. und 3. fortzusetzen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

das Arbeitsverhältnis mit den Beteiligten zu 2. und 3. aufzulösen.

Die Beteiligten zu 2–5 haben beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie vertreten die Auffassung, daß nach der in den Niederlassungen der Arbeitgeberin angewandten Methoden der Personalbemessun...

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