Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristwahrung,. Klageschrift. Kündigungsschutzklage. Nachtbriefkasten. Qualifikation. nachträglich Zulassung der Kündigungsschutzklage. nachträglicher Zulassung der Kündigungsschutzklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei dem Einwurf einer Klagesschrift in den Nachtbriefkasten des Arbeitsgerichts zur Fristwahrung handelt es sich um eine sehr einfach strukturierte Tätigkeit, die ein Rechtsanwalt nicht selbst verrichten muss, sondern einem erwachsenen Mitarbeiter ohne Darlegung einer besonderen Qualifikation übertragen darf.

2. Einem form- und fristgerechten Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage gemäß § 5 KSchG ist daher selbst dann stattzugeben, wenn ein Rechtsanwalt glaubhaft macht, dass er eine Büroangestellte mit dem rechtzeitigen Einwurf der Kündigungsschutzklage beauftragt hat, die Klage jedoch aus nicht aufzuklärenden Gründen nicht beim Arbeitsgericht eingegangen ist. Mit der Beauftragung hat der Rechtsanwalt nämlich alles Erforderliche getan, um die Frist zu wahren, so dass er auf den rechtzeitigen Eingang der Klageschrift beim Arbeitsgericht vertrauen durfte.

 

Normenkette

KSchG § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Beschluss vom 15.01.2003; Aktenzeichen 10 Ca 3013/02)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 15.01.2003 – 10 Ca 3013/02 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.544,18 EURO festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten im Hauptsacheverfahren um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung.

Die Klägerin (geboren am 04.03.1969, ledig, kinderlos) ist seit dem 01.04.2000 bei der Beklagten als Bauzeichnerin zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 2.544,18 EURO beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt wesentlich mehr als fünf Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat.

Mit Schreiben vom 28.08.2002, der Klägerin am gleichen Tag ausgehändigt, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen ordentlich zum 30.11.2002. Gegen diese Kündigung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 30.09.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Gleichzeitig beantragt sie, die Klage nachträglich zuzulassen.

Die Klägerin trägt zur Begründung ihres Antrages auf nachträgliche Zulassung der eidesstattlichen Versicherung der Richtigkeit der Angaben vor, ihr Prozessbevollmächtigter habe am 18.09.2002 die Übermittlung der Klageschrift durch Telefax vorgesehen. Nachdem eine Übermittlung mittels Telefax nicht gelungen sei, habe sich die Kanzleiangestellte, Frau K S, bereiterklärt, mit ihrem Wagen von Wiesbaden nach Mainz zu fahren und die Klageschrift in den Nachtbriefkasten einzuwerfen. Frau S sei zwischen 17.15 Uhr und 17.30 Uhr am Gebäude des Arbeitsgerichts Mainz eingetroffen. Sie habe dem am Eingang angebrachten Hinweisschild entnommen, dass sich der Nachtbriefkasten an der Ernst-Ludwig-Straße 1 befindet und die Klageschrift dort eingeworfen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Kündigungsschutzklage nachträglich zuzulassen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Justizwachtmeister Herr K hat am 28.10.2002 unter Vorlage des Posteingangsbuches erklärt, dass sich am 18.09.2002 keine Klageschrift der Rechtsanwaltskanzlei der bevollmächtigten der Klägerin im Nachtbriefkasten des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz, Ernst-Ludwig-Straße 1) befunden habe. Das Ministerium der Justiz (Ernst-Ludwig-Straße 3) konnte aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr feststellen, ob die Klageschrift (versehentlich) in den Nachtbriefkasten des Ministeriums eingeworfen worden ist. Posteingänge, die nicht für das Ministerium der Justiz bestimmt sind, werden von der Botenmeisterei an die jeweilige Justizbehörde weitergeleitet.

Das Arbeitsgericht Mainz hat daraufhin durch Beschluss vom 15.01.2003 – 10 Ca 3013/02 – die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung der Beklagten vom 28.08.2002 nachträglich zugelassen. Hinsichtlich des Inhalts der Entscheidungsgründe wird auf Blatt 41 – 45 der Akte Bezug genommen.

Gegen den ihr am 27.01.2003 zugestellten Beschluss hat die Beklagte durch am 04.02.2003 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und das Rechtsmittel zugleich begründet.

Die Beschwerdeführerin hebt insbesondere hervor, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin an der Fristversäumung kein Verschulden treffe. Insbesondere habe die Klägerin keinerlei Tatsachen hinsichtlich der Qualifikation, Zuverlässigkeit oder Überwachung seitens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hinsichtlich der Person von Frau S vorgetragen. Auch dürfe der Einwurf einer eiligen Kündigungsschutzklage in den Nachtbriefkasten eines auswärtigen Gerichts, welches dem Büropersonal aufgrund fehlender Kenntnisse der Örtlichkeiten völlig unbekannt sei, nicht als einfache Tätigkeit angesehen werden, die jedweden, also auch geringer Qual...

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