Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert im Rahmen der Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Wird Prozesskostenhilfe auch für einen Vergleich gewährt und der Anwalt beigeordnet, so fällt jedenfalls seit der Neufassung der Anm. 1 zu Nr. 1003 VV-RVG mit Geltung vom 01.01.2021 eine 1,5-Einigungsgebühr für den Vergleichsmehrwert an.

 

Normenkette

RVG § 56 Abs. 1-2, § 48; RVG-VV Nr. 1003; RVG § 15 Abs. 3, § 33 Abs. 4 S. 1, § 45 Abs. 1, § 60 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Aktenzeichen 15 Ca 6230/20)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors vom 22.06.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

3. Die Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Der Klägerin hat am 24.11.2020 Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich Prozesskostenhilfe beantragt. Im Gütetermin vom 22.01.2021 (vgl. Sitzungsprotokoll; Bl. 21 ff der Akte) schlossen die Parteien nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen widerruflichen Vergleich unter anderem mit dem Inhalt der Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses und einer Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III, welche in der Klageschrift nicht mitbeantragt gewesen waren. Vor Abschluss des widerruflichen Vergleichs beantragte die Klägerinvertreterin die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den beabsichtigten Vergleichsabschluss. Nach Abschluss des widerruflichen Vergleichs wurde der Klägerin Prozesskostenhilfe für die 1. Instanz bewilligt ab 24.11.2020 und Rechtsanwältin V... beigeordnet. Die Prozesskostenhilfe wurde auf den Vergleich erstreckt (vgl. Bl. 23 d. A.).

Mit Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 08.02.2021 (Bl. 26 d. A.) wurde der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf 6.228,00 Euro sowie für den Vergleich überschießend auf weitere 3.321,60 Euro festgesetzt.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 15.02.20218 begehrte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Vergütung aus der Staatskasse in Höhe von 1.696,94 Euro, hierin enthalten eine 1,5 Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert.

Mit Beschluss vom 25.02.2021 (Bl. I des Kostenhefts) setzte das Arbeitsgericht einen Erstattungsbetrag von 1.514,28 Euro fest. Berücksichtigt dabei wurde eine 1,0 Einigungsgebühr aus dem Vergleichsmehrwert von 3.321,60 Euro mit der Begründung, dass aufgrund der Rechtsprechung des LAG Nürnberg bei Erstreckung der PKH auf den Vergleich und nach einer Erörterung der Sach- und Rechtslage im Termin eine Einigungsgebühr von 1,0 aus dem Gesamtvergleichswert festzusetzen ist. Die 1,5 Einigungsgebühr entfalle gänzlich.

Hiergegen richtet sich die Erinnerung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.04.2021. Nach ihrer Auffassung umfasst der gemäß §§ 45, 48 RVG gegen die Staatskasse gerichtete Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts alle anfallenden Anwaltsgebühren, mithin auch eine 1,5 Einigungsgebühr. Zur Begründung wird auf den Schriftsatz vom 21.04.2021 vollständig Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Erinnerung mit Beschluss vom 27.04.2021 nicht abgeholfen und diesen der Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt. Diese hat die Erinnerung mit Beschluss vom 20.05.2021 zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde zugelassen.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat mit Schriftsatz vom 03.06.2021 sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit Beschluss vom 10.06.2021 hat das Arbeitsgericht dieser sofortigen Beschwerde abgeholfen und eine 1,5-Gebühr in unstreitiger Höhe festgesetzt. Es hat die sofortige Beschwerde für die Staatskasse zugelassen, der Beschluss ist dem Bezirksrevisor am 14.06.2021 zugegangen.

Mit Schriftsatz vom 22.06.2021 hat der Bezirksrevisor sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 10.06.2021 eingelegt, die beim Arbeitsgericht Nürnberg am 22.06.2021 eingegangen ist.

Er macht geltend, dass das Kostenrechtsänderungsgesetz nur die Entscheidung des BGH vom 17.01.2018, Az.: XII ZB 248/16, umgesetzt habe. In dieser gehe es jedoch nur um den Umfang der Beiordnung, nicht um die Höhe der Gebühren. Der Gesetzgeber habe weder VV 3104 Abs. 3 RVG noch VV 1003 Abs. 1 RVG angetastet. Die Rechtslage und die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg habe sich nicht geändert, dem Anwalt stünde nur eine 1,0 Einigungsgebühr für den Mehrvergleich zu.

Mit Beschluss vom 24.06.2021 hat das Arbeitsgericht Nürnberg der Beschwerde der Staatskasse nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat mit Schreiben vom 28.06.2021 dem Bezirksrevisor und der Klägerinvertreterin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 14.07.2021 und die Stellungnahme der Klägerinvertreterin vom 14.07.2021 wird verwiesen.

Hinsichtlich des weiteren Sachverhaltes wird auf den Akteninhalt, namentlich das Beiheft über die Prozesskostenhilfe und das Kostenheft, verwiesen.

II.

1. Die (befristete) Beschwerde der Staatskasse ist zulässig. Sie ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG statthaft. Das Erstgericht hat die B...

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