Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit. Zweck der Karenzentschädigung des § 74 Abs. 2 HGB. Streitwertbemessung beim nachvertraglichen Wettbewerbsverbot nach Höhe der Karenzentschädigung

 

Leitsatz (amtlich)

Der Streit über das Bestehen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots kann regelmäßig nach Dauer und Höhe der hieraus zu zahlenden Karenzentschädigung bemessen werden.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichtete Streitwertkommission hat einen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit erarbeitet. Dieser entfaltet zwar keine rechtliche Bindungswirkung, stellt aber eine ausgewogene und mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar. Eine Empfehlung, wie der Streit um ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu bewerten ist, enthält der Streitwertkatalog allerdings nicht.

2. Die Karenzentschädigung (§ 74 Abs. 2 HGB) bezweckt, die für den Arbeitnehmer durch das Wettbewerbsverbot entstehenden Nachteile angemessen auszugleichen. Hält sich der Arbeitnehmer an das Wettbewerbsverbot, hat er Anspruch auf die Karenzentschädigung, ggf. unter Anrechnung anderweitigen Erwerbs (§ 74c HGB).

3. Die Bewertung des Streitwerts nach der Karenzentschädigung ist grundsätzlich angemessen. Denn mangels anderer Anhaltspunkte kann das Arbeitsgericht zu Recht vom Wert der im Falle der Wirksamkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots anfallenden Karenzentschädigung ausgehen.

 

Normenkette

GKG § 63; HGB § § 74 ff., §§ 74b, 74c; RVG § 23 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 08.11.2022; Aktenzeichen 6 Ca 1833/22)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 08.11.2022, Az. 6 Ca 1833/22, wird zurückgewiesen.

2. Der Streitwert wird von Amts wegen auf 51.000,- € festgesetzt.

 

Gründe

A.

Die Parteien stritten im Wege der Feststellungsklage vom 06.05.2022 um das Bestehen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots.

Die monatliche Fixvergütung des Klägers betrug laut Arbeitsvertrag vom 10.06./17.06.2020 3.850,- €. Basis dafür war lt. Ziffer IV. 1 Arbeitsvertrag ein Jahresbruttoentgelt von 51.000,- €. Der Kläger hat sein Jahresbruttoentgelt auch selbst mit 51.000,- € angegeben.

Das Arbeitsverhältnis endete auf Grund Befristung zum 30.06.2022. Der Kläger hat im Anschluss bei einem Wettbewerber ein Arbeitsverhältnis aufgenommen. Dort liegt der Verdienst höher.

Das Verfahren endete durch Vergleich vom 06.10.2022 dahingehend, dass das Wettbewerbsverbot unverbindlich war und der Kläger zu Beginn des Karenzzeitraums erklärt hatte, sich nicht an das Wettbewerbsverbot zu halten und er keine Ansprüche auf Karenzentschädigung habe bzw. haben werde.

Mit Beschluss vom 08.11.2022 änderte das Arbeitsgericht den ursprünglichen Streitwertbeschluss vom 06.10.2022 (Festsetzung auf 5.000,- €) ab und setzte den Streitwert auf 51.000,- € fest. Dies sei der Wert der zweijährigen Karenzentschädigung.

Hiergegen legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.11.2022 Beschwerde ein. Sie hält einen Wert von 5.000,- € für richtig, hilfsweise die 24-fache Vergütungsdifferenz zwischen dem alten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten und dem neuen Arbeitsverhältnis beim Wettbewerber.

Das Arbeitsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 23.03.2023 insoweit ab, als es den Streitwert auf Grund eines Rechenfehlers auf 46.200,- € herabsetzte (24 × 0,5 × 3.850,- €), und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor. Wegen der Einzelheiten wird auf den Teilabhilfebeschluss vom 23.03.2023 Bezug genommen.

Das Landesarbeitsgericht räumte den Beteiligten eine Frist zur Stellungnahme bis 14.04.2023 ein. Soweit Stellungnahmen erfolgt sind, wird auf diese verwiesen.

B.

I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet. Vielmehr war der Streitwert von Amts wegen (§ 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG) auf 51.000,- € festzusetzen.

Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar. Eine Emp...

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