Entscheidungsstichwort (Thema)

Erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Wahlausschreibens als Anfechtungsgrund einer Betriebsratswahl. Sorgfaltspflichten des Wahlvorstands bei der Mitteilung von Listenmängeln an den Listenvertreter. Überprüfung der Beschäftigungsdauer als Wählbarkeitsvoraussetzung durch den Wahlvorstand durch Nachfrage beim Arbeitgeber. Mögliche Veränderung des Wahlergebnisses durch gesetzwidrige Verlängerung der Einreichungsfrist von Wahlvorschlägen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weigert sich der Betriebsrat in einem Anfechtungsverfahren, den vollständigen Text des Wahlausschreibens trotz ausdrücklicher Aufforderung an das Arbeitsgericht vorzulegen, verletzt er seine im Beschlussverfahren gegebenen Mitwirkungspflichten. Die Betriebsratswahl ist in einem Anfechtungsverfahren schon deswegen als unwirksam zumindest dann zu erklären, wenn sich aus anderen Umständen - hier: Niederschrift einer späteren Sitzung des Wahlvorstandes - erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Wahlausschreibens ergeben.

2. Der Wahlvorstand hat eingehende Listen möglichst unverzüglich zu prüfen und dem Listenvertreter die genauen Fehler ebenfalls unverzüglich mitzuteilen. Eine pauschale Angabe der Fehler genügt nicht. Die Beanstandung ist unzureichend mit der Folge des Bestehens eines Anfechtungsgrundes, wenn dem Listenvertreter mitgeteilt worden ist, ein Bewerber sei nicht wählbar und die Mängel seien heilbar, ohne den Listenvertreter über die Konsequenz der Beanstandung aufzuklären.

3. Beruft sich der Wahlvorstand für die Zurückweisung der Liste darauf, in der vom Arbeitgeber mitgeteilten Wählerliste sei ein Eintrittsdatum in den Betrieb angeführt, das zur Erreichung der Sechs-Monats-Frist für die Wählbarkeit nicht ausreichend sei, hat er zuvor zu versuchen festzustellen, ob diese Frist durch eine vorherige Beschäftigung im Unternehmen oder Konzern erfüllt ist. Ggf. hat er hierbei konkret beim Arbeitgeber und/oder beim Listenvertreter nachzufragen.

4. Bei Festlegung einer längeren als der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Frist von zwei Wochen zur Einreichung von Wahlvorschlägen ist nicht auszuschließen, dass andere Vorschläge gemacht worden sind oder gemacht oder unterlassen worden wären, so dass dies allein die Anfechtung ebenfalls rechtfertigt.

 

Normenkette

BetrVG § 19; WO BetrVG § 7; ArbGG § 83 Abs. 1 S. 3; WO BetrVG § 3 Abs. 2 Nr. 8

 

Verfahrensgang

ArbG Bamberg (Entscheidung vom 19.12.2018; Aktenzeichen 4 BV 9/18)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 19.12.2018, Az. 4 BV 9/18, wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Anfechtung einer Betriebsratswahl.

Die Beteiligte zu 1.), gemeinnützige GmbH, führt den Betrieb "Seniorenzentrum B...". In diesem Betrieb wurde durch den Konzernbetriebsrat ein Wahlvorstand zur Durchführung von Betriebsratswahlen eingesetzt. Am 22.03.2018 leitete dieser mit Aushang des Wahlausschreibens die Betriebsratswahl ein. Als letzter Tag für die Einreichung von Vorschlagslisten war der 10.04.2018 aufgeführt.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Liste mit dem Kennwort SZBH1, Listenvertreter K... vom 22.03.2018 (Anlage A 1 zur Antragsschrift, Bl. 13 d.A.) bereits am 22.03. oder erst am 30.03.2018 beim Wahlvorstand eingereicht worden ist. Die Liste, die als Bewerberin die Beschäftigte S... aufführt, wurde dem Listenvertreter am 05. oder am 06.04.2018 zurückgereicht. Im entsprechenden Schreiben vom 04.04.2018 ist folgendes ausgeführt (Anlage 1 zur Beschwerdebegründung, Bl. 224 d.A.):

Bei der Überprüfung der Vorschlagsliste, Kennwort:SZBH1, wurden folgende heilbare Mängel festgestellt:

1. Mehrere falsche Geburtsdaten bei Bewerber/innen und Unterstützer/innen.

2. Bewerber/in ist noch keine 6 Monate im Betrieb beschäftigt, daher nicht wählbar.

3. Mit der Art der Beschäftigung ist nicht gemeint, Angestellter, Angestellte und Auszubildende sondern die genaue Berufsbezeichnung im Betrieb.

4. Der Wahlvorstand weist ausdrücklich darauf hin, dass nur er berechtigt ist, ausgehängte Wahlausschreiben wieder abzuhängen. ...

Der Listenvertreter reichte daraufhin am 10.04.2018 eine neue Liste mit denselben Bewerbern (Anlage A 2, ebenda, Bl. 14 d.A.), korrigierten Geburtsdaten und geänderten Bezeichnungen für die Art der Beschäftigung ein. Diese Liste wurde vom Wahlvorstand am 11.04.2018 als ungültig zurückgegeben.

Der Wahlvorstand hängte am 13.04.2018 eine andere Vorschlagsliste mit acht Kandidaten aus. Am 23.04.2018 wurden beim Wahlvorstand sowohl ein Einspruch gegen die Zulassung dieser Vorschlagsliste, ein weiterer Einspruch der Bewerberin S... gegen die Nichtaufnahme in die Wählerliste sowie ein dritter Einspruch gegen die Ablehnung der Vorschlagsliste SZBH1 eingereicht (Anlagen A 3 bis A 5 zur Antragsschrift, Bl. 15 ff. d.A.).

Der Wahlvorstand hielt am 09.05.2018 die Wahl ab (Niederschrift über die Wahl als Anlage zum Schriftsatz der Vertreter der Beteiligten zu 1.) vom 24.05.2018, Bl. 2...

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