Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung. Lohnerhöhung. Bezugnahme auf Tarifvertrag. Gleichstellungsabrede

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zahlt der Beklagte ab April 2004 der Klägerin über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten hinaus monatlich eine um 2,4% erhöhte Vergütung ohne jeglichen Vorbehalt, gibt er durch diese regelmäßige Wiederholung der neuen Vergütung objektiv zu erkennen, der Klägerin eine entsprechende Gehaltserhöhung gewähren zu wollen.

2. Wenn der Beklagte trotz Nichtvorlage eines Übernahmetarifvertrages und trotz Kündigung der Mitgliedschaft in der Landestarifgemeinschaft seinen Mitarbeitern ab 01.04.2004 eine Gehaltserhöhung von 2,4% tatsächlich gewährt, durften die Arbeitnehmer objektiv darauf vertrauen, dass diese Zahlungen unabhängig von einer tariflichen oder vertraglichen Verpflichtung des Beklagten erfolgen sollen.

3. Die Tariferhöhung für den öffentlichen Dienst ab 2004 ist nicht aufgrund § 3 der Rahmenbedingungen und § 67 Abs. 3 DRK-TV ohne weiteren Übertragungsakt Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden. Vielmehr ist eine Übernahme der Regelungen erforderlich, das heißt ein Rechtsakt, der dazu führt, dass die für den Bereich des BAT geltenden Bestimmungen auch für die Mitarbeiter des DRK Geltung beanspruchen.

 

Normenkette

DRK-TV § 67 Abs. 3; TVG § 4 Abs. 1; BGB § 310 Abs. 4, § 350 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 24.08.2004; Aktenzeichen 11 Ca 365/04)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 24.08.2004, 11 Ca 365/04, wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 24.08.2004, 11 Ca 365/04, teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit dem 01. Januar 2004 eine Gehaltserhöhung von 2,4 % weiter zu zahlen und die monatlichen Differenzbeträge zwischen gezahlter und beantragter Vergütung jeweils ab Fälligkeit mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und der Beklagte jeweils zu 50 %.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte zum einen berechtigt war, eine ab 01.04.2003 tatsächlich gewährte Erhöhung der Vergütung um 2,4% ab Januar 2004 wieder rückgängig zu machen, und ob der Beklagte zum anderen verpflichtet ist, der Klägerin ab 01.01.2004 und ab 01.05.2004 jeweils eine weitere Vergütungserhöhung von 1% zu gewähren.

Die 1957 geborene Klägerin ist seit dem 01.06.1984 bei dem Beklagten als Hauswirtschaftsleiterin mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 24,06 Stunden beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag vom 25.06.1984 (Bl. 5, 6 d.A.) wurde unter anderem vereinbart, dass dem Arbeitsverhältnis die Arbeitsbedingungen für die Angestellten und Arbeiter des Deutschen Roten Kreuzes in der jeweils geltenden Fassung zu Grunde liegen, und dass die Beschäftigung bei dem Deutschen Roten Kreuz nicht als öffentlicher Dienst gilt.

In einem Nachtrag zum Arbeitsvertrag vom 25.04.1985 wurde geregelt:

„Mit Wirkung vom 01.01.1985 finden auf das bestehende Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes in der jeweiligen Fassung entsprechend Anwendung.”

Die Klägerin ist seit dem 01.12.2003 Mitglied der Gewerkschaft ver.di. Der Beklagte war Mitglied in der Landestarifgemeinschaft Niedersachsen des Deutschen Roten Kreuzes seit deren Gründung und kündigte diese Mitgliedschaft mit Schreiben vom 30.12.2002 zum 31.03.2003.

Die Landestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes ist ihrerseits Mitglied in der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes, die im Jahre 1984 mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), deren Rechtsnachfolgerin die Gewerkschaft ver.di ist, eine „Vereinbarung über Rahmenbedingungen für den Abschluss von Tarifverträgen” (Bl. 63 bis 68 d.A.) abgeschlossen hat.

In dieser Vereinbarung wurde unter anderem festgelegt:

§ 2

„Übereinstimmendes Ziel der Vertragsparteien ist es, Arbeitskämpfe im Bereich der Tarifgemeinschaft des DRK nach § 3 Abs. 1 zu vermeiden.

§ 3

2) Soweit die Arbeitsbedingungen des DRK mit den Regelungen des BAT inhaltlich identisch sind (Katalog A), werden zwischen den Vertragsparteien keine Verhandlungen geführt. Die Möglichkeit, im beiderseitigen Einvernehmen Verhandlungen zu führen, bleibt unberührt.”

Der von der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und der Gewerkschaft ÖTV vereinbarte DRK-Tarifvertrag (West) enthält in § 67 Abs. 3 folgende Regelung:

„Soweit Regelungen gemäß § 3 der Rahmenbedingungen (Katalog A) zwischen den Tarifvertragsparteien nicht zu verhandeln sind, bedarf es keiner formalen Kündigung des Tarifvertrages, um die geänderten Vorschriften für den öffentlichen Dienst als Tarifrecht für das DRK zu übernehmen.”

In der Folgezeit wurden die für den öffentlichen Dienst vereinbarten Vergütungserhöhungen jeweils du...

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