Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Konzern. Unternehmerische Organisationsentscheidung im Konzern

 

Leitsatz (amtlich)

Eine auf Konzernebene getroffene Organisationsentscheidung, die den Wegfall eines Arbeitsplatzes in einem Konzernunternehmen zur Folge hat, ist nicht als außerbetrieblicher betriebsbedingter Kündigungsgrund zu bewerten. Vielmehr handelt es sich um innerbetriebliche Umstände, sodass die getroffene Organisationsentscheidung vom Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen ist.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 11.05.2010; Aktenzeichen 7 Ca 33/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 11.05.2010, 7 Ca 33/10, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 35.000,– EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.07.2009 zum 31.01.2010 nicht aufgelöst worden ist. Die Beklagte begründet die Kündigung damit, dass der Arbeitsplatz des Klägers als Leiter Export weggefallen sei.

Der Kläger, Dipl.-Betriebswirt, ist seit dem 01.04.1994 bei Unternehmen der S.-Gruppe beschäftigt, zu der auch die Beklagte gehört. Gemäß Anstellungsvertrag mit der Beklagten vom 24.08.2000 (Bl. 9 ff. d.A.) ist er seit dem 01.07.2000 als Leiter der Division Export tätig. In Ziffer 1 des Vertrages ist der Aufgabenbereich wie folgt umschrieben:

Seine Aufgabe umfasst im Wesentlichen die Verantwortung für Strategie, Planung, Kontrolle und Führung des Funktionsbereiches „Export” der Firmengruppe S..

Als Vergütung erhielt er ein erfolgsunabhängiges Jahresgehalt von 140.000,– EUR zuzüglich Privatnutzung des Firmenwagens und zuzüglich Prämien. Er war Prokurist der Beklagten und Direktor bzw. Geschäftsführer eines schweizerischen und eines französischen Vertriebsunternehmens.

Die Beklagte ist Teil eines weltweit operierenden Konzerns mit Sitz in Südafrika, der sich mit der Produktion und Vermarktung von M. befasst. Die Organisationseinheit S. Europe ist untergliedert in den kontinentaleuropäischen Bereich (im Folgenden: S. Europa) und Großbritannien (S. UK). Auf das Organigramm K16 a, Bl. 226 d.A. wird Bezug genommen. Die Zentrale von S. Europa hat ihren Sitz in W-Stadt und umfasst mehrere Firmen, darunter die Beklagte. Auf das Telefonverzeichnis der Firmengruppe S. in W-Stadt, K16 f., Bl. 231 d.A., wird Bezug genommen. Am Standort W-Stadt findet keine M.produktion statt. Zum Konzernbereich S. Europa gehören Produktionsbetriebe in Polen, Ungarn und der Ukraine, die in Form selbständiger Gesellschaften betrieben werden. Eine Übersicht über die Vielzahl der zu S. Europa gehörenden Firmen ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Aufstellung, K16b – K16e, Bl. 227 ff. d.A..

Die Exportabteilung der Beklagten bestand aus dem Kläger als Leiter und einer ihm zugeordneten Assistentin. Nach Darstellung der Beklagten war der Kläger verantwortlich für Strategie, Planung, Kontrolle und Führung des Funktionsbereichs Export der Firmengruppe S. M., für Akquisition und Betreuung der im Ausland ansässigen Handelsvertreter und Kunden der Unternehmen der Gruppe sowie für Vermarktung der Kollektionen der Produktionsunternehmen, die von der Beklagten betreut wurden. Im Jahre 2009 bis zur Freistellung ist der Kläger auch tätig geworden im Projekt „E.” der Firma h..

Schwerpunkt der Produktion und Vermarktung der S. Europa ist der P.bereich.

Im Februar 2009 wurden die P.aktivitäten in Europa zusammengefasst unter der Bezeichnung S. E. U. (im Folgenden: SEU). Die rechtlich selbständigen polnischen, ungarischen und deutschen P.lieferanten wurden unter die einheitliche Leitung eines Managementteams gestellt mit A. B. als CEO, des Geschäftsführers der Beklagten als CFO und des Justiziars der Beklagten als Legal.

Nach vorsorglicher Anhörung des Betriebsrates mit Schreiben vom 28.07.2009 (Bl. 50 ff. d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.07.2009 zum 31.01.2010 und stellte den Kläger von der Arbeitsleistung frei.

Der Kläger hat u.a. geltend gemacht, dass ein Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG nicht vorliegt und hat beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 30.07.2009, zugegangen am 30.07.2009, beendet wurde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, nach Zusammenfassung der P.aktivitäten Anfang 2009 zur SEU als neuer Firmengruppe unter Leitung von A. B. habe dieser entschieden, die Exportaufgaben des Klägers nicht mehr von der Beklagten, sondern von Vertriebsmitarbeitern der SEU ausführen zu lassen. Weil der Polstermöbelbereich einen wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit von S. Europa ausmache, sei damit der Arbeitsplatz des Klägers faktisch weggefallen. Herr A. B. habe der Beklagten seine Entscheidung am 25.02.2009 mitget...

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