Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachwirkung. Tarifvertrag. betriebliche Übung. Umdeutung. Gesamtzusage. Betriebliche Übung gegenüber neu eintretenden Arbeitnehmern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Nachwirkung eines Tarifvertrages erstreckt sich nicht auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis erst im Nachwirkungszeitraum begründet wird.

2. Eine vorhandene betriebliche Übung begründet eine vertragliche Anspruchsgrundlage und mit Eintritt der weiteren Anspruchsvoraussetzungen die Entstehung des Anspruchs auch für neu eingetretene Arbeitnehmer. Sie kann jedoch gegenüber neu eintretenden Arbeitnehmern durch eindeutige einseitige Erklärung des Arbeitgebers beseitigt werden.

3. Die unwirksame Betriebsvereinbarung kann vorliegend nicht in eine vertragliche Einheitsregelung (Gesamtzusage) umgedeutet werden, da die Betriebsparteien erkennbar eine Regelung treffen wollten, deren Geltung nicht auf einzelvertraglicher Grundlage beruhen und von der sich der Beklagte zu 1) für die Zukunft mit den Mitteln des Betriebsverfassungsrechts wieder lösen können sollte.

 

Normenkette

TVG § 4

 

Verfahrensgang

ArbG Göttingen (Urteil vom 09.05.2007; Aktenzeichen 3 Ca 516/06)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 09.05.2007, 3 Ca 516/06, wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 09.05.2007, 3 Ca 516/06, abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger ein Anspruch auf Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung für die Jahre 2003 bis 2005 zusteht.

Der Kläger war seit dem 06.05.2002 bei dem Beklagten zu 1) beschäftigt.

Der Beklagte zu 1) ist der Konkursverwalter der Firma Firma A. GmbH, die ein Sägewerk und Holzhandel mit ca. 280 Arbeitnehmern betrieb. Über das Vermögen dieser Firma wurde am 01.02.1995 das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1) zum Konkursverwalter bestellt. Der Beklagte zu 1) führte das Unternehmen bis zum 20.02.2006 fort.

Der Kläger schloss mit dem Beklagten zu 1) am 22.11.2004 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 16 – 18 d.A.). Dieser Vertrag enthält keine Regelung über die Gewährung von Jahressonderzahlungen und keine Bezugnahme auf Tarifverträge. Ziffer 14 lautet:

Im übrigen gelten die zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung der Firma A. GmbH i.K. abgeschlossenen und zukünftigen Betriebsvereinbarungen.

Die Gemeinschuldnerin gehörte bis zum 31.12.1989 dem Sägewerksverband an, nach einem Unternehmensverkauf erfolgte der Austritt aus dem Verband. Sie zahlte bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens an alle Arbeitnehmer ein Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld in tariflicher Höhe.

Für die Sägeindustrie und die übrige holzbearbeitende Industrie in Niedersachsen und Bremen existiert ein Manteltarifvertrag, der u. a. folgende Regelungen enthält:

85.

Die Urlaubsdauer beträgt 30 Arbeitstage für alle Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden.

95.

Neben dem Urlaubsentgelt wird für den Erholungsurlaub nach Ziffer 85 ein zusätzliches Urlaubsgeld gewährt. Es beträgt 50% des Urlaubsentgelts.

108.

Alle sonstigen gegenseitigen Ansprüche sind innerhalb einer Frist von 3 Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen und im Falle der Ablehnung durch die andere Partei innerhalb einer Frist von 2 Monaten beim Arbeitsgericht einzuklagen.

109.

Nach Ablauf der angeführten Fristen sind die Ansprüche verwirkt, es sei denn, dass sie vorher durch den Arbeitnehmer oder durch den Betriebsrat schriftlich geltend gemacht bzw. eingeklagt worden sind.

Für den Bereich der holzbearbeitenden Industrie in den Ländern Niedersachsen und Bremen gibt es zudem einen Tarifvertrag über die stufenweise Einführung eines 13. Monatsverdienstes, in dem unter anderem geregelt ist:

2.

Arbeitnehmer, die am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen mindestens 3 Monate angehören, haben je Kalenderjahr einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlungen als Teil eines 13. Monatsverdienstes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.

3.

Die Sonderzahlung wird am 1. Dezember jeden Jahres fällig. Sie beträgt bei vollem Anspruch

1985 70%

eines durchschnittlichen Brutto-Monatsverdienstes.

In der Zeit nach der Konkurseröffnung gewährte der Beklagte zu 1) den Beschäftigten Sonderzahlungen in unterschiedlicher Höhe gemäß folgender Aufstellung:

1995

50 %

70 %

Betriebsvereinbarung vom 17.07.1995:

„entsprechend dem Sägewerkstarif”

1996

0 %

0 %

Betriebsvereinbarung vom 24.01.1996:

freiwillig

1997

45,5 %

Betriebsvereinbarung vom 14.11.1997

1998

51,61 %

Betriebsvereinbarung vom 02.07.1998

1999

0

0

2000

40%

40%

2001

30% + 20%

20%

Aushang vom 07.09.2001 und 04.12.2001

2002

10+10+10= 30%

10%

Aushang vom 02.07.2002 und 09.12.2002

2003

10%

Aushang vom 28.07.2003 und 07.10.2003

2004

0%

0%

Aushang vom 27.07.2004

2005

10%

Aushang vom 10.03.2005

In den Jahren 1995 bis 1998 erfolgten diese Zahlungen...

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