Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsgemeinschaft. Anspruchsübergang nach § 115 SGB X

 

Leitsatz (amtlich)

Erbringt das Jobcenter Sozialleistungen in Form der Zahlung von Arbeitslosengeld II, wird der Erstattungsanspruch auf die Aufwendungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgedehnt, die an den nicht getrennt lebenden Ehegatten sowie an dessen unverheiratete Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erbracht wurden.

 

Normenkette

SGB X § 115

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 15.11.2010; Aktenzeichen 1 Ca 592/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15. November 2010 – 1 Ca 592/09 – teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 797,57 EUR (= insgesamt 1.212,81 EUR) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2008 zu zahlen.

Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Das klagende A. (nachfolgend: Kläger) nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Zahlung des Arbeitsentgelts für den Monat September 2007 in Anspruch.

Herr B. trat auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages mit Wirkung vom 1. Juli 2007 als Kraftfahrzeugmechaniker-Meister mit einem monatlichen Bruttogrundgehalt in Höhe von 1.950,00 EUR in die Dienste des Beklagten. Gem. § 3 des Arbeitsvertrages war die Arbeitsvergütung jeweils zum 1. eines Monats, erstmalig zum 1. August 2007, auszuzahlen. Ausweislich der Lohnabrechnung für den Monat September 2007 erzielte der Arbeitnehmer B. einen Nettoverdienst (Auszahlungsbetrag) in Höhe von 1.522,81 EUR. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer B. zum 1. Oktober 2007. Eine Zahlung der Vergütung für September 2007 erfolgte nicht.

Mit Bescheid vom 9. Oktober 2007 bewilligte der Kläger Herrn B. und seiner mit ihm in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau sowie den 2 minderjährigen Kindern für den Monat Oktober 2007 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 1.395,95 EUR. Mit Schreiben vom selben Tag teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass Herr B. seit dem 1. Oktober 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehe. Die Zahlung habe zur Folge, dass evtl. Ansprüche des Herrn B. an den Beklagten, die aus dem Arbeitsverhältnis noch bestehen sollten, mit der Anzeige auf den Kläger bis zur Höhe der von dort gezahlten Leistungen übergehen. Der Beklagte könne damit nur noch an den Kläger mit befreiender Wirkung zahlen. Das Schreiben ging dem Beklagten am 12. Oktober 2007 zu.

Im Juli 2009 nahm Herr B. den Beklagten vor dem Arbeitsgericht Hannover auf Zahlung der Vergütung für den Monat September 2007 in Anspruch (1 Ca 420/09). Im Gütetermin vom 26. August 2009 schlossen die Parteien des Vorprozesses einen Vergleich, in dem sich der Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 800,00 EUR netto an den Kläger verpflichtete.

Mit der vorliegenden Klage beansprucht der Kläger von dem Beklagten Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.212,81 EUR. Diesen Betrag ermittelt er aus dem mit der Vergütungsabrechnung für September 2007 ausgewiesenen Nettoeinkommen abzüglich der Freibeträge gem. §§ 11, 30 SGB II in Höhe von 100,00 EUR bzw. 210,00 EUR (1.522,81 – 100,00 – 210,00)

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an das klagende A. 1.212,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2008 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat gemeint, ein Anspruchsübergang gem. § 115 SGB X hinsichtlich der Vergütung für September 2007 liege nicht vor. Zwischen dem Anspruch auf Vergütung und dem Zeitraum der Hilfeleistung müsse eine zeitliche Deckungsgleichheit bestehen. Entscheidend sei nicht der tatsächliche Empfang der Leistung, sondern der Zeitraum, für den die Grundsicherung bestimmt gewesen sei.

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 415,24 EUR zu zahlen. Gegen das ihm am 29. November 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Dezember 2010 Berufung eingelegt und sie am 31. Januar 2011 (29. = Samstag) begründet.

Der Kläger macht geltend, das Arbeitsgericht habe darauf abgestellt, dass ein Anspruchsübergang lediglich insoweit habe erfolgen können, als auch Personenidentität bestehe. Es habe die Vorschrift des § 34a SGB II übersehen und diese Vorschrift demgemäß rechtsfehlerhaft nicht angewandt.

Der Kläger beantragt,

  1. den Beklagten unter teilweiser Abänderung des am 15. November 2010 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Hannover (1 Ca 592/09) zu verurteilen, an das klagende A. 1.212,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. Dezember 2008 zu zahlen,
  2. die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

  1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
  2. das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15. November 2010 – 1 Ca 592/09 – abzuändern und d...

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