Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbeschränkte und vorbehaltlose Gewährleistung des Grundsatzes der Bestenauslese durch Art. 33 Abs. 2 GG. Zukünftige Berücksichtigung der Bewerbeins bei Stellenausschreibungen dieser Art trotz ihrer Vorbeschäftigung beim Land

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Der Grundsatz der Bestenauslese wird durch Art. 33 Abs. 2 GG unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Daher können Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, bei der Besetzung öffentlicher Ämter nur Berücksichtigung finden, wenn ihnen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist (vgl. BVerfG 2. Oktober 2007 2 BvR 2457/04 Rn. 10).

2. Dem Schutzbereich des Art. 33 Abs. 2 GG ist ein davon abzugrenzender Bereich der allein öffentlichen Interessen dienenden Organisationshoheit des öffentlichen Arbeitgebers vorgelagert. Diese Organisationshoheit ist mit einem weiten Gestaltungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielraum verbunden (vgl. BVerwG 10. Dezember 2020 - 2 A 2/20 - Rn. 13).

 

Normenkette

GG Art. 33 Abs. 2; TzBfG § 14 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 02.11.2022; Aktenzeichen 2 Ca 348/21 Ã)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 02.11.2022 - 2 Ca 348/21 Ö - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtstreits tragen die Klägerin und das beklagte Land jeweils zu 50%.

3. Die Revision wird zugelassen. Hinsichtlich der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO wird auch die Rechtsbeschwerde zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin in ein Auswahlverfahren hinsichtlich der Besetzung einer sachgrundlos befristeten Stelle einzubeziehen war und ob sie zukünftig bei Stellenausschreibungen dieser Art trotz ihrer Vorbeschäftigung beim beklagten Land zu berücksichtigen ist.

Die am 00.00.1993 geborene Klägerin verfügt über ein Bachelor- und Masterabschluss Soziale Arbeit. Während ihres Studiums schloss sie im Zeitraum von Oktober 2016 bis Juli 2020 insgesamt 7 befristete und auf die jeweilige Vorlesungszeit von 4 - 5 Monaten beschränkte Arbeitsverträge mit dem beklagten Land ab (vgl. bspw. befristeter Arbeitsvertrag vom 01.10.2016 bis 31.01.2017, Anlage B2 zur Berufungsbegründung vom 17.02.2023, Blatt 192 der Akte). Im Rahmen dieser Arbeitsverträge war die Klägerin als Tutorin bei der Universität V. eingesetzt.

Ende Juli 2021 schrieb das beklagte Land ua. für die M.schule in B. eine Stelle als pädagogische Mitarbeiterin/pädagogischer Mitarbeiter als sozialpädagogische Fachkraft (w/m/d) in der sozialen Arbeit in schulischer Verantwortung ab 01.10.2021 "befristet bis 31.07.2023" aus. Nach der Stellenausschreibung wird ein abgeschlossenes Studium zur/zum Diplom Sozialpädagoge/in (FH) oder Diplom Sozialarbeiter/in (FH) jeweils mit staatlicher Anerkennung bzw. ein Bachelor-Abschluss Soziale Arbeit mit staatlicher Anerkennung oder aber eine gleichwertige Ausbildung erwartet. Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellenausschreibung wird auf die Anlage K7 zur Klageschrift vom 17.09.2021, Blatt 12 der Akte, Bezug genommen. Eine gleichlautende Ausschreibung durch das beklagte Land erfolgte für mehrere Schulen.

Die Mittel für die Stellen stammten aus den pandemiebezogenen Aktionsprogrammen "Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und "Startklar in die Zukunft" des niedersächsischen Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie.

Die Klägerin bewarb sich ua. auf diese für die M.schule ausgeschriebene Stelle sowie auf weitere ausgeschriebenen Stellen dieser Art. Am 02.09.2021 meldete sich das regionale Landesamt für Schule und Bildung und teilte ihr mit, dass sie aufgrund der vereinzelten, kurzfristigen Beschäftigungen als studentische Hilfskraft während ihres Studiums an der Universität V. "bewerbungsunfähig" sei.

Die Klägerin hat mit Ihrer Klage und zuvor auch im einstweiligen Verfügungsverfahren die Berücksichtigung ihrer Bewerbung im Auswahlverfahren angestrebt.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Osnabrück Bezug genommen.

Die einstweilige Verfügung der Klägerin hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Mit Urteil vom 25.07.2022 - 4 SaGa 1178/21 - wurde es dem verfügungsbeklagten Land bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache untersagt, die ausgeschriebene Stelle einer pädagogischen Mitarbeiterin/eines pädagogischen Mitarbeiters als sozialpädagogische Fachkraft (m/w/d) in der sozialen Arbeit in schulischer Verantwortung" an der GS M.schule bis zum Abschluss eines neu durchzuführenden Auswahlverfahrens mit einem/einer anderen Bewerber/in als der Verfügungsklägerin zu besetzen.

Das beklagte Land ließ die Stelle im Folgende...

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