Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiedereinsetzungsantrag. Verschulden des Prozessbevollmächtigten Fristenüberwachung. Berufungsbegründungsfrist. Sorgfaltsmaßstab. Zum Sorgfaltsmaßstab des Rechtsanwaltes bei Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nach fristgerecht eingelegter Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 233 ZPO setzt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, dass eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht gemäß § 85 Abs. 2 ZPO dem Verschulden der Partei gleich. Dies gilt auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren.

2. Wurde ein Bevollmächtigter tätig, muss der Antragsteller einen Geschehensablauf vortragen, der ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zweifelsfrei ausschließt.

3. Mit der anwaltlichen Verpflichtung, alle zumutbaren Vorkehrungen gegen Fristversäumnisse zu treffen, wäre es nicht zu vereinbaren, wollte sich der Anwalt bei der im Zusammenhang mit der Aktenvorlage zwecks Fertigung der Berufungsschrift gebotenen Prüfung der Fristnotierung auf die Berufungsfrist beschränken und die Prüfung der bereits feststehenden Berufungsbegründungsfrist aussparen.

 

Normenkette

ZPO § 85 Abs. 2, § 233; ArbGG § 66 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 08.07.2008; Aktenzeichen 13 Ca 453/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten vom 12. November 2008 gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 8. Juli 2008 – 13 Ca 453/07 – wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung, um Entgelt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges und um die Frage, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um ein Arbeitsverhältnis handelt.

Aufgrund eines Vertrages vom 30. Oktober/1. November 2006 nebst Anlagen, wegen dessen genauen Inhaltes auf Bl. 14 bis 19 d. A. verwiesen wird, sollte der Kläger vom 1. Dezember 2006 befristet bis zum 31. Dezember 2007 als freier Auftragnehmer in den Vereinigten Arabischen Emiraten als Supervisor gegen ein monatliches Honorar von 2.500,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer tätig werden. Nach einer Abmahnung vom 23. Juli 2007 (Bl. 12 d. A.), die sich auf das Nichterscheinen des Klägers zu einem Schulungstermin bezog, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 10. September 2007 (Bl. 13 d. A.) den Vertrag fristlos mit der Begründung, der Kläger sei am 1. September 2007 zur Tagesschicht eingeteilt gewesen, jedoch erst am Folgetage zur Nachtschicht erschienen.

Mit seiner am 28. September 2007 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er sei aufgrund seiner Weisungsgebundenheit entgegen dem Vertragswortlaut Arbeitnehmer gewesen. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung habe nicht bestanden, denn am 1. September 2007 habe er dienstfrei gehabt.

Er hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 10. September 2007 nicht aufgelöst wurde, sondern darüber hinaus fortbesteht,
  2. die Beklagte zu verpflichten, die Abmahnung vom 23. Juli 2007 zurückzunehmen und aus der Personalakte des Klägers zu entfernen,
  3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.000,00 Euro netto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 2.500,00 Euro seit dem 1. Oktober, 1. November, 1. Dezember 2007 sowie 1. Januar 2008 zu zahlen,
  4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 184,75 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2008 zu zahlen,
  5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 972,85 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat geltend gemacht, das Vertragsverhältnis, das ein freies Dienstverhältnis und kein Arbeitsverhältnis gewesen sei, habe durch die Kündigung sein Ende gefunden. Der Kläger habe seiner Einteilung zum Dienst am 1. September 2007 nicht widersprochen oder andere Wünsche angemeldet, sei aber nicht zum Dienst erschienen. Angesichts der vorausgegangenen einschlägigen Abmahnung stelle dies einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung dar.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 8. Juli 2008 (Bl. 158 bis 161 d. A.) verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses bis zum Befristungsablauf sowie bezüglich des Nettobetrages von 10.000,00 Euro nebst Zinsen stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger sei aufgrund seiner persönlichen Abhängigkeit Arbeitnehmer gewesen. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung habe der Beklagten nicht zur Seite gestanden. Dem Vorbringen des Klägers, mit seinen Vorgesetzten sei die Gewährung von Freizeit am 1. September 2007 abgesprochen gewesen, sei die...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge