Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvertragliches Lohnabtretungsverbot aufgrund formularvertraglicher Verweisung auf entsprechende Regelungen einer Betriebsvereinbarung. Unbegründete Drittschuldnerklage bei darlehensvertraglicher Vorausabtretung von Lohnansprüchen des Ehemannes der Klägerin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein in einer Betriebsvereinbarung Arbeitsordnung geregeltes umfassendes Lohn und Gehaltsabtretungsverbot kann unabhängig von seiner normativen Wirksamkeit über eine formulararbeitsvertraglich vereinbarte Geltung dieser Betriebsvereinbarung Bestandteil des Arbeitsvertrages werden.

2. Einer AGB Kontrolle gem. §§ 305 ff BGB unterliegt in diesem Fall nur die Verweisungsklausel selbst, nicht jedoch die eine Abtretung ausschließende Vorschrift der Betriebsvereinbarung (§ 310 Abs. 4 S. 1 BGB).

3. § 399, 2. Alternative BGB lässt auch die Vereinbarung eines Lohn und Gehaltsabtretungsausschlusses zwischen Gläubiger und Schuldner zu. Ein solcher Ausschluss schränkt den Arbeitnehmer nicht in einer seine Kreditfähigkeit grundlegend beeinträchtigenden, sittenwidrigen Weise (§ 138 Abs. 1 BGB) in seiner Dispositionsfreiheit über sein Arbeitsentgelt ein.

 

Normenkette

BGB § 137 S. 1, § 138 Abs. 1, §§ 305, 305c Abs. 1, §§ 307, 310 Abs. 4 S. 1, §§ 399, 307 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 Sätze 1-2, §§ 398, 399 Alt. 2, § 611 Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Braunschweig (Entscheidung vom 06.11.2013; Aktenzeichen 1 Ca 280/13)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 06.11.2013 (1 Ca 280/13) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Drittschuldnerin auf Zahlung abgetretener Arbeitsvergütung in Anspruch.

Der Ehemann der Klägerin trat auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 02./11.09.1981 (Bl. 173 f d.A.) in die Dienste der Beklagten. Unter der Überschrift "Schlußbestimmungen" des Vertrages heißt es im 2. Absatz:

Im Übrigen gelten die Bestimmungen des Manteltarifvertrages, des Gehaltstarifvertrages sowie der Arbeitsordnung der Volkswagenwerk AG in den jeweils geltenden Fassungen.

In der bei der Beklagten geltenden Betriebsvereinbarung "Arbeitsordnung" vom 03.06.1977, gültig ab 01.08.1977 (Anlage B1 = Bl. 22 - 27 d.A.) ist unter anderem Folgendes geregelt:

§ 1 Geltungsbereich

Diese Arbeitsordnung gilt

1. räumlich: für alle Werke der VOLKSWAGEN AG

2. persönlich: für alle Werksangehörigen, auf die das Betriebsverfassungsgesetz Anwendung findet.

Die Arbeitsordnung ist Bestandteil des Arbeitsvertrages.

§ 2 Bekanntmachung der Arbeitsordnung

Die Arbeitsordnung erhält jeder neueintretende Werksangehörige zur Kenntnisnahme und Beachtung gegen Empfangsbestätigung. Änderungen und Ergänzungen werden als Nachtrag ausgehändigt.

(...)

§ 7 Regelung der Lohn- und Gehaltszahlung

(...)

Abtretung

Die Abtretung von Lohn- oder Gehaltsforderungen oder sonstiger im Zusammenhang mit der Werkszugehörigkeit erwachsener Forderungen an Dritte ist ausgeschlossen.

Nach dem Inhalt eines in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Vertrages mit Datum 01.06.2003 (Anlage K1 = Bl. 6 d.A.) gewährte die Klägerin der Firma H., deren Geschäftsführer ihr Ehemann war, ein Darlehen über 150.000,00 €. In dem von der Klägerin und ihrem Ehemann unterzeichneten Vertrag heißt es u.a.:

Sollte die Firma H. zahlungsunfähig oder insolvent sein, tritt Herr A. als persönlicher Bürge in diesen Darlehensvertrag ein und tritt zur Absicherung der Gesamtforderung hiermit den pfändbaren Teil seines Lohn/oder Gehaltsanspruchs gegen seinen jeweiligen Arbeitgeber einschließlich Einkommens aus Sozialleistungen sowie Rentenansprüche oder Leistungen des Arbeitsamtes an die Gläubigerseite ab.

Mit Beschluss vom 30.11.2004 eröffnete das Amtsgericht Gifhorn über das Vermögen der H. das Insolvenzverfahren. Infolge dessen wurde im Handelsregister die Auflösung der Gesellschaft eingetragen.

Aufgrund eines notariellen Schuldanerkenntnisses ihres Ehemannes vom 22.03.2005 über einen Betrag von 56.000,- € brachte die Klägerin den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 14.07.2005 aus, auf den die Beklagte nach Zustellung pfändbare Gehaltsansprüche des Ehemannes an die Klägerin auskehrte.

Aufgrund eines weiteren notariellen Schuldanerkenntnisses ihres Ehemannes vom 03.02.2012 über 98.000,00 € erwirkte die Klägerin gegen die Beklagte einen dieser am 22.05.2012 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 14.05.2012 bezüglich weiterer Gehaltsansprüche.

Mit Drittschuldnererklärung vom 29.05.2012 (Anlage K2 = Bl. 7 - 9 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Gehaltsforderungen ihres Ehemannes zwischenzeitlich für weitere Gläubiger gepfändet worden seien. Daraufhin wies die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 07.06.2012 auf die Lohnabtretung im Darlehensvertrag hin.

Für April 2013 rechnete die Beklagte gemäß Anlage B 1 zur Berufungserwiderung (Bl. 123 d.A.) zugunsten des Ehemanns der Klägerin ein Nettoentgelt in Höhe von 3.072,07 € ab. Von dem pfändbare...

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