Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an eine Stufenklage i.S.d. § 254 ZPO. Betriebliche Übung als arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz als Anspruchsgrundlage bei Vergütungsansprüchen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Über den Wortlaut des § 254 ZPO hinaus werden auch Informationsansprüche erfasst, sofern sie dazu dienen, den Leistungsantrag gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO beziffern zu können, und deshalb in einem prozessual gebotenen Zusammenhang mit der Bestimmbarkeit des Zahlungsanspruchs stehen. Das Auskunftsbegehren der ersten Stufe der Stufenklage muss also ein notwendiges Hilfsmittel sein, um die noch fehlende Bestimmtheit des auf der zweiten Stufe verfolgten Leistungsanspruchs vorzubereiten und herbeiführen zu können.

2. Nach ständiger Rechtsprechung entsteht eine betriebliche Übung durch ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers, das den Inhalt der Arbeitsverhältnisse gestaltet und geeignet ist, vertragliche Ansprüche auf eine Leistung zu begründen, wenn und soweit der Arbeitnehmer aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durfte, ihm werde eine entsprechende Leistung auch zukünftig gewährt. Dieses Verhalten ist als Vertragsangebot zu werten, das von den Arbeitnehmern stillschweigend angenommen werden kann, wobei der Zugang der Annahmeerklärung nach § 151 BGB entbehrlich ist.

3. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie eine sachfremde Bildung von Arbeitnehmergruppen. Der Arbeitgeber ist hiernach an ein Verhalten gebunden, wenn er Vorteile gewährt, mit denen er die betriebliche Ordnung gestaltet, soweit er dabei erkennbar selbst gesetzten abstrakten Regeln und generalisierenden Prinzipien folgt. Im Bereich der Vergütung ist dieser Grundsatz trotz des Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, soweit der Arbeitgeber bei der Verteilung einem abstrakt-generalisierenden Prinzip folgt.

 

Normenkette

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 254; BGB §§ 151, 241 Abs. 2, §§ 242, 611a Abs. 2, § 615 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Celle (Entscheidung vom 20.01.2021; Aktenzeichen 2 Ca 214/20)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.10.2022; Aktenzeichen 5 AZR 135/22)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Celle vom 20. Januar 2021 - 2 Ca 214/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Wege der Stufenklage Auskunft über Gehaltsanpassungen und deren Gewährung.

Der Kläger ist seit dem 2014 bei der Beklagten beschäftigt; seit 2015 ist er Leiter des Bereichs Finanzen und Controlling für den Geschäftsbereich Waffe und Munition. Nach § 1 Abs. 2 seines Arbeitsvertrags (Bl. 13 d.A.) gehört er zum Kreis der "leitenden Führungskräfte". Im Jahre 2015 hob die Beklagte sein Jahreszieleinkommen von 165.000 auf 170.000 Euro, im Folgejahr auf 172.550 Euro an. Am 7. November 2016 stellte die Beklagte ihn von der Arbeitsleistung frei; am 30. Juni 2017 sprach sie ihm eine Kündigung, am 31. Dezember 2017 eine Änderungskündigung aus. Die dagegen gerichteten Klagen hatten Erfolg; eine dritte Kündigung nahm die Beklagte zurück. Ab dem 1. Februar 2019 nahm der Kläger seine Arbeit wieder auf.

In den Jahren 2017 bis 2020 erhöhte die Beklagte das Entgelt mehrerer Arbeitnehmer, nicht aber des Klägers, wobei der jeweilige Vorgesetzte die Höhe bestimmte. Art und Grund der Erhöhungen sind streitig. Im Januar 2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sein Gehalt erhöhe sich ab dem 1. Januar 2021 um 2,5 v.H.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe das Gehalt bei "nahezu allen leitenden Führungskräften" leistungsunabhängig als Inflationsausgleich angepasst und ihn zu Unrecht davon ausgenommen. Zu den hiervon begünstigten Mitarbeitern zählten nach seiner Kenntnis die im Antrag benannten, mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer.

Der Kläger hat beantragt,

a) die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über die bei den Angestellten

B., H., St., B., He., St2, B2, W., B3, M., Sch., K. und M1 in den Jahren 2017 bis 2019 als Inflationsausgleich erfolgten Gehaltsanpassungen zu erteilen,

b) die Beklagte zu verurteilen, sein Gehalt nach Maßgabe der unter lit. a) erteilten Auskünfte in gleicher Weise anzupassen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die einzelnen Erhöhungen folgten keinem generalisierenden Prinzip, sondern seien individuell vereinbart worden. Einzelne Mitarbeiter hätten belohnt oder ihre Entgelte an das Marktniveau angepasst werden sollen, um einem Fachkräfteverlust entgegenzuwirken.

Das Arbeitsgericht hat die Klage einschließlich des Zahlungsantrags abgewiesen. Es hat ausgeführt: Ein Anspruch auf Auskunftserteilung aus vertraglicher Nebenpflicht iSv. § 241 Abs. 2 BGB bestehe nicht, denn ein Zahlungsanspruch scheide aus; er folge insbesondere nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der Kläger habe nicht hinreichend dargelegt, dass die Gehaltsanp...

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