Entscheidungsstichwort (Thema)

Direktionsrecht des Arbeitgebers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird im Arbeitsvertrag keine konkrete Arbeitszeit vereinbart und liegen auch keine konkretisierenden betrieblichen oder tariflichen Regelungen vor, so gilt als zu leistende Arbeitszeit die übliche Arbeitszeit im Betrieb als vereinbart.

2. Der bloße Zeitablauf führt nicht dazu, dass sich nur rahmenmäßig im Arbeitsvertrag umschriebene Arbeitspflichten im Lauf der Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen verdichten. Dazu müssen neben dem Zeitablauf besondere Umstände vorliegen, aus denen folgt, dass der Arbeitnehmer nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll.

 

Normenkette

BGB § 611 Abs. 1, § 315 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Lüneburg (Urteil vom 05.05.2003; Aktenzeichen 3 Ca 169/03)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 05.05.2003 – 3 Ca 169/03 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die … 1953 geborene Klägerin ist seit dem 01.10.1974 beim Beklagten als Kinderpflegerin im Kindergarten … tätig. Diesem Arbeitsverhältnis liegen mehrere Arbeitsverträge, auf die Bezug genommen wird, zu Grunde mit unterschiedlichen Arbeitszeiten und Vergütungsansprüchen. Zuletzt arbeitete die Klägerin auf der Grundlage des am 01.08.2002 in Kraft getretenen Änderungsvertrages 28,75 Stunden wöchentlich.

Der Kindergarten … ist von 7.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Im Zeitpunkt der Änderung des Dienstplanes gab es 4 Vormittagsgruppen mit insgesamt 95 Kindern sowie 2 Nachmittagsgruppen mit insgesamt 35 Kindern. Die Gruppen werden in einer so genannten offenen Kindergartenarbeit betreut. Das bedeutet, dass die Kinder zwar einer festen Gruppe und damit einer Erzieherin sowie Kinderpflegerin als Zweitkraft zugewiesen werden, gleichzeitig aber auch an Aktionen der anderen Gruppen und gruppenübergreifenden Extraprogrammen teilnehmen können.

In dem Kindergarten … wird kein wechselnder Schichtbetrieb durchgeführt. Von den insgesamt 12 Erzieherinnen werden 5 nur vormittags, 4 sowohl vor – als auch nachmittags und zwei nur nachmittags eingesetzt. Ab dem 01.02.2003 wurde zusätzlich eine „Springkraft” beschäftigt, die dreimal wöchentlich nachmittags und mit dem Rest ihrer Arbeitszeit nach Bedarf vormittags arbeitete. Wegen der Einzelheiten des Stundenvolumens und der Arbeitszeiten der einzelnen Erzieherinnen und Kinderpflegerinnen wird auf die Anlage K 5 zur Klageschrift Bezug genommen.

Die Klägerin war ursprünglich stets in der Vormittagsschicht tätig. Mit Schreiben vom 22.01.2003 wies der Beklagte sie an, ab dem 22.02.2003 in der Nachmittagsschicht von 13.00 bis 17.00 Uhr zu arbeiten.

Die Klägerin war im Jahr 2001 an 90 Tagen, im Jahr 2002 an 18 Tagen sowie im Jahr 2003 bis zur Zuweisung der Nachmittagsgruppe an 30 Tagen arbeitsunfähig krank.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Änderung ihrer Arbeitszeit werde nicht vom Direktionsrecht gedeckt. Der Beklagte handele aus reiner Schikane, zumal er beabsichtigt habe, eine ehemalige Mitarbeiterin erneut einzustellen. Diese Einstellung habe auch für die Nachmittagsschicht vorgenommen werden können.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, ihr die Nachmittagsschicht des Kindergartens Dahlenburg von 13.00 bis 17.00 Uhr zuzuweisen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und nimmt dazu den Standpunkt ein, die Anordnung sei vom Direktionsrecht umfasst.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Urteil vom 05.05.2003 stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die zahlreichen Arbeitsverträge der Klägerin enthielten keine Regelung über eine Verpflichtung, der Arbeitsleistung im Schichtdienst nachzugehen. Demzufolge habe sich dieses Arbeitsverhältnis auf Grund über zwanzigjähriger Übung dahin konkretisiert, dass die Klägerin in der Vormittagsschicht beschäftigt werde. Der Beklagte könne die Arbeitszeit, bei der es sich um einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsverhältnisses handele, nicht durch einseitige Anordnung abändern. Er müsse vielmehr unter Mitwirkung des Personalrates sowie unter Beachtung des BAT eine Änderungskündigung aussprechen.

Das Urteil ist dem Beklagten am 07.05.2003 zugestellt worden. Mit der am 10.06.2003 (Dienstag nach Pfingsten) eingelegten und am 05.08.2003 innerhalb der bis zum 07.08.2003 verlängerten Frist begründeten Berufung verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 04.08.2003 sowie vom 28.10.2003 weiter. Der Beklagte ist insbesondere der Auffassung, er habe mit der Zuweisung der Nachmittagsgruppe sein nach dem Arbeitsverhältnis bestehendes Direktionsrecht wirksam ausgeübt. Die Arbeitszeit habe sich für die Klägerin nicht auf die Vormittagsschicht konkretisiert. Dazu sei nicht ausreichend, dass das Arbeitsverhältnis längere Zeit bestanden habe, ohne dass hinsichtlich der Vormittagsschicht eine Änderung eingetreten sei. Vielmehr müssten sich besondere Umstände ergeben, aus den...

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