Entscheidungsstichwort (Thema)

Direktionsrecht. Abmahnung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 GewO betrifft nur die Konkretisierung der Arbeitspflicht, nicht aber den Inhalt des Arbeitsvertrages.

Daher ist ein Arbeitnehmer nicht verpflichtet, auf Weisung des Arbeitgebers an einem Personalgespräch teilzunehmen, in dem es ausschließlich um Verhandlungen über vom Arbeitgeber gewünschte Änderungen des Arbeitsvertrages gehen soll.

Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass der Arbeitgeber eine Abmahnung, die er wegen der Nichtteilnahme an einem solchen Personalgespräch ausgesprochen hat, aus der Personalakte entfernt.

 

Normenkette

GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Urteil vom 11.05.2007; Aktenzeichen 1 Ca 82/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.06.2009; Aktenzeichen 2 AZR 606/08)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.05.2007 – 1 Ca 82/07 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, die am 03.01.2007 ausgesprochene Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Mit der vorliegenden Klage setzt sich die Klägerin gegen eine Abmahnung vom 03.01.2007 zur Wehr.

Die Klägerin ist seit 1982 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Altenpflegehelferin beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 08.03.2005 ist für das Dienstverhältnis die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrags – Bund und Länder – in der jeweils gültigen Fassung vereinbart.

Nachdem die Beklagte für das Kalenderjahr 2005 bei der für die AVR-K zuständigen arbeitsrechtlichen Kommission wegen erheblicher wirtschaftlicher Schwierigkeiten eine Notlagenregelung erwirkt hatte, aufgrund der das 13. Monatsgehalt mit Ausnahme der Mitarbeiter mit BAT-Verträgen um 46 % vermindert wurde, versuchte sie für das Kalenderjahr 2005 eine ähnliche Regelung zu erzielen, wobei es ihr darum ging, diesmal auch die Mitarbeiter mit BAT-Verträgen einzubeziehen. Zu diesem Zweck fand am 01.11.2006 ein gemeinsames Gespräch mit allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit BAT-Verträgen statt. Dieses Gespräch führte nicht zu dem von der Beklagten gewünschten Ergebnis. Mit Schreiben vom 03.11.2006 lud die Beklagte die Klägerin für Montag, den 13. November 2006 zu einem Personalgespräch in Anwesenheit der Mitarbeitervertretung im Büro des Personalleiters ein. Die Klägerin erschien zwar zu dem vorgegebenen Zeitpunkt im Büro des Personalleiters. Ebenso wie andere Mitarbeiter machte sie aber deutlich, dass sie nur bereit sei, ein gemeinsames Gespräch zu führen. Dies lehnte die Geschäftsleitung der Beklagten ab. Nachdem sie der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, erklärte die Beklagte unter dem 03.01.2007 eine Abmahnung mit folgendem Inhalt:

„Abmahnung

Sehr geehrte Frau A.,

mit Schreiben vom 03.11.2006 wurden Sie durch Herrn P., handelnd im Auftrag der Geschäftsführung der D. A. A-Stadt gGmbH, für den 13.11.2006 zu einem Personalgespräch eingeladen.

Ausweislich des Anschreibens war die Teilnahme an dem Gespräch verbindlich und wurde als Arbeitszeit behandelt.

Gem. § 106 Gewerbeordnung sind Inhalt, Ort und Zeit der Leistungserbringung Bestandteil des arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes.

Sie haben durch Frau Z. von der Mitarbeitervertretung erklären lassen, dass Sie zu einem Gespräch nur bereit seien in Anwesenheit aller anderen ebenfalls zu Einzelgesprächen eingeladenen Mitarbeiterinnen.

Herr P. hat dies zulässigerweise abgelehnt, daraufhin waren Sie – ebenfalls durch Frau Z. in Ihrem Auftrag erklärt – zu einem Gespräch nicht bereit.

Sie haben mit Ihrem Verhalten gegen Ihre Allgemeinen Dienstpflichten verstoßen und die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung (hier in Form eines Personalgespräches) verweigert, ohne dass dafür Rechtfertigungsgründe bestanden.

Sie sind mit Schreiben vom 20.11.2006 zu einer Stellungnahme aufgefordert worden, diese haben sie mit Schreiben vom 27.11.2006 fristgerecht eingereicht.

In dem Schreiben räumen Sie den Sachverhalt ein, vertreten aber die Auffassung, dass eine Abmahnung unberechtigt wäre, weil Sie nicht verpflichtet seien zur Teilnahme an einem Gespräch, das eine befristete Vertragsänderung zum Ziel habe. Dieses sei durch das arbeitgeberseitige Leistungsbestimmungsrecht nicht erfasst.

Der von Ihnen vorgebrachte Einwand ist nach eingehender Prüfung unbeachtlich.

Ihr Verhalten wird hiermit abgemahnt.

Ich fordere Sie auf, an Personalgesprächen, die von Ihrem Arbeitgeber oder in seinem Auftrag Handelnder angesetzt werden, zu erscheinen oder für den Fall, dass Ihnen aus begründetem Anlass eine Teilnahme nicht möglich sein sollte, dies unverzüglich mitzuteilen.

Ich weise Sie darauf hin, dass im Wiederholungsfall die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.

Die Abmahnung und Ihre hierzu abgegebene Stellungnahme werden zu Ihrer Personalakte genommen. …”

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, in ihrem Verhalten liege keine Verletzung der Dienstpflichten aus dem Ar...

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