Entscheidungsstichwort (Thema)

Antragsbefugnis des Betriebsrats. Geltendmachung eigener betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Anspruch des Betriebsrats nach § 77 Abs. 1 S. 1 BetrVG auf Durchführung einer Betriebsvereinbarung beinhaltet nicht die Befugnis, vom Arbeitgeber aus eigenem Recht die Erfüllung von Ansprüchen der Arbeitnehmer aus einer Betriebsvereinbarung zu verlangen.

 

Normenkette

ArbGG § 81 Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Beschluss vom 15.11.2002; Aktenzeichen 7 BV 16/02)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 18.01.2005; Aktenzeichen 3 ABR 21/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Bet. zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.11.2002 – 7 BV 16/02 – teilweise abgeändert:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Auslegung einer Betriebsvereinbarung, und zwar über die Frage, inwieweit Rentenansprüche von Arbeitnehmern, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres aufgrund einer Vorruhestandsregelung ausscheiden, ratierlich zu kürzen sind.

Antragsteller ist der bei der Bet. zu 2) gebildete Betriebsrat. Für das Unternehmen der Bet. zu 2) wurde unter dem 27.12.1983 eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vereinbart. Zwischenzeitlich wurde der Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung beschränkt auf diejenigen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 31.12.1994 begründet wurde. Wegen des Inhalts der Betriebsvereinbarung wird auf die mit der Antragsschrift überreichte Kopie (Bl. 13–27 d.A.) Bezug genommen.

Für den Bereich des Unternehmens gilt seit dem 10.04.1984 ein Vorruhestandstarifvertrag, aufgrund dessen Arbeitnehmer mit Vollendung des 58. Lebensjahres vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden können, wenn sie sodann zum frühestmöglichen Zeitpunkt (Vollendung des 60. Lebensjahres) Altersrente in Anspruch nehmen. Ferner wurde in einer zwischen den Beteiligten getroffenen Rahmenvereinbarung „strategische Ergebnisverbesserung” vom 14.03.1997 vereinbart, dass Arbeitnehmer im gegenseitigen Einvernehmen auch bereits vor Vollendung des 58. Lebensjahres im Wege des Vorruhestandes aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden können und in diesem Fall ein Vorruhestandsgeld in Höhe von 70 % des letzten Bruttogehalts erhalten. In der Folgezeit wurde bei einer Vielzahl von Mitarbeitern eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem 50. und dem 60. Lebensjahres im Wege des Vorruhestandes vereinbart.

In diesen Fällen nimmt die Bet. zu 2) eine mit Rücksicht auf das vor dem 60. Lebensjahr erfolgte Ausscheiden eine weitere (ratierliche) Kürzung der Betriebsrenten vor. Und zwar ermittelt die Bet. zu 2) zunächst die bis zum Zeitpunkt des Beginns des Ruhestandes und die bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres zu erwartenden Rentenbausteine. Hierbei ergibt sich derselbe Betrag wie für Rentenberechtigte, die unmittelbar mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis in die Rente übergehen. Das ermittelte Zwischenergebnis wird sodann mit dem Quotienten aus tatsächlicher Betriebszugehörigkeit zu theoretisch möglicher Betriebszugehörigkeit (bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres) multipliziert. Hierbei ergibt sich ein geringerer Rentenbetrag für Arbeitnehmer, die den Vorruhestand in Anspruch nehmen, verglichen mit solchen Arbeitnehmern, die mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden und im unmittelbaren Anschluss Rente beziehen.

Der Antragsteller hat die Ansicht vertreten, es gebe keinen Grund, bei einer Arbeitnehmerin, die mit 60 Jahren in Rente gehe und vorher Vorruhestand in Anspruch nehme, bezüglich der vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente grundsätzlich anders zu rechnen als bei einer Arbeitnehmerin, die unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis mit 60 Jahren in Rente gehe. Dies folge im Übrigen bereits aus der – allerdings nicht im vorliegenden Verfahren zu klärenden – Auslegung des einschlägigen Vorruhestandstarifvertrages. Der Fall des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis durch eine Vorruhestandsvereinbarung sei in der Betriebsvereinbarung vom 27.12.1983 nicht geregelt. Die Berechnungspraxis der Bet. zu 2), verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da Arbeitnehmer, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres in den Vorruhestand träten, gegenüber Arbeitnehmern, die unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis mit 60 Jahren in die Rente gingen, massiv benachteiligt würden. Die Rechenweise der Bet. zu 2) verstoße darüber hinaus gegen Artikel 12 GG.

Der Antragsteller hat beantragt,

Der Bet. zu 2) wird aufgegeben, die Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung vom 27.12.1983 in der Fassung vom 11.09.1984 in der Weise durchzuführen, dass die Ruhegeldansprüche derjenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 31.12.1994 begründet wurde, die vor Vollen...

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