Leitsatz (amtlich)

Bei der gerichtlichen Zumutbarkeitsprüfung nach § 78 a Abs. 4 BetrVG für die Auflösung einer kraft gesetzlicher Fiktion begründeten Dauerarbeitsverhältnisses ist darauf abzustellen, ob ein freier Arbeitsplatz im Unternehmen vorhanden ist. Eine Beschränkung auf den Betrieb, in dem der Auszubildende Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung war, widerspricht der Wertung des Gesetzgebers im Verhältnis zu den §§ 1 Abs. 2, Nr. 1b, 15 Abs. 4 KSchG.

 

Normenkette

BetrVG § 78a

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Beschluss vom 11.08.1995; Aktenzeichen 1 BV 7/95)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.08.1995, Az. 1 BV 7/95, wird zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 1) begehrt im vorliegenden Verfahren die Auflösung des nach § 78 a Abs. 2 BetrVG mit dem Beteiligten zu 2) begründeten Arbeitsverhältnisses.

Der Beteiligte zu 2) absolvierte im Werk … Geschäftsbereich Werke der Arbeitgeberin seit dem 01.09.1991 eine Ausbildung zum Industriemechaniker/Betriebstechnik. Das Ausbildungsverhältnis endete durch Ablegung der mündlichen Prüfung am 26.01.1995.

Seit Mai 1994 war der Beteiligte zu 2) Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung des Werkes … Grundlage des Ausbildungsverhältnisses war der Vertrag vom 07.02.1991. Wegen des Inhalts wird auf diesen (Bl. 5 d.A.) verwiesen.

Mit Schreiben vom 20.09.1994 teilte die Arbeitgeberin dem Beteiligten zu 2) mit, daß sie nicht beabsichtige, ihn nach Beendigung der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis zu übernehmen. Mit Schreiben vom 23.01.1995 verlangte der Beteiligte zu 2) die Übernahme in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis nach Abschluß seines Ausbildungsverhältnisses.

Mit Gründung der … wurde zum 01.01.1994 eine tarifvertragliche Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben vorgenommen. Die Gliederung der … ist dergestalt, daß diese in neun Geschäftsbereiche aufgegliedert wurde, nämlich in die Geschäftsbereiche Fernverkehr, Nahverkehr, Personenbahnhöfe, Ladungsverkehr, Stückgutverkehr, Netz, Bahnbau, Traktion und Werke. Die einzelnen Geschäftsbereiche sind wiederum untergliedert in Regionalbereiche und Niederlassungen.

Gemäß der Anlage 9 zum Tarifvertrag über die Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben im Geschäftsbereich Werke ist auch der Regionalbereich Hannover eingerichtet mit der Regionalbereichsleitung in Hannover sowie den Niederlassungen … Gemäß dem Zuordnungstarifvertrag sind die dem Regionalbereich Hannover zugeordneten Werke als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes festgeschrieben worden. Ab 01.01.1996 sind diese Werke zusammengefaßt worden. Mangels Einigung der Tarifvertragsparteien auf einen Tarifvertrag bezüglich der betriebsverfassungsrechtlichen Folgerungen ist insoweit eine Änderung noch nicht eingetreten.

In den einzelnen Werken ist ein Betriebsrat sowie jeweils eine Jugend- und Auszubildendenvertretung gewählt.

Durch Mitteilung des Zentralbereiches Personalplanung/-betreuung der Deutschen Bahn AG vom 17.01.1995 wurden die Ausbildungsbetriebe der Arbeitgeberin darüber informiert, daß gemäß eines Vorstandsbeschlusses entschieden worden sei, von den 6.300 im Jahre 1995 auslernenden Auszubildenden rund 2.300 Auszubildende auf Dauerarbeitsplätze zu übernehmen, den übrigen 4.000 Auszubildenden auf 6 Monate befristete Arbeitsverhältnisse anzubieten. In der Sonderausgabe der Bekanntgaben der … vom 09.12.1994 wurden Arbeitsplatzangebote für auslernende Auszubildende der … ausgeschrieben. Hierbei befinden sich unter dem Geschäftsbereich Bahnbau eine Ausschreibung für 10 Industriemechaniker/innen (Schlosser), 8 Energieelektroniker/innen (Elektriker) in der … sowie unter den Ziffern 63 und 64 Ausschreibungen bei dem Geschäftsbereich Bahnbau für Industriemechaniker/innen in der Niederlassung Hannover wie auch für Kommunikationselektroniker/innen in der Niederlassung Hannover. Insoweit wird auf die Anlage des Erwiderungsschriftsatzes zur Antragsschrift des Beteiligten zu 2) verwiesen.

Die Arbeitgeberin hat vorgetragen, eine Weiterbeschäftigung aller Jugend- und Auszubildendenvertreter habe für 1995 nicht gewährleistet werden können. Am 27.09.1994 habe der Vorstand entschieden, daß die im ersten Quartal 1995 auslernenden Auszubildenden keine Übernahme angeboten erhielten. Im gesamten Regionalbereich Hannover des Geschäftsbereiches Werke seien keine Auszubildenden in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen worden.

In dem Werk, in dem der Beteiligte zu 2) tätig gewesen sei, sei ein erheblicher Personalüberhang vorhanden gewesen. Dieses gelte gleichermaßen, wenn man den Beruf des Beteiligten zu 2) zugrunde lege. Die Personalbedarfsplanung beruhe auf der Wirtschaftsplanung für das Jahr 1995, die wiederum auf der erwarteten Auftragslage basiere. Die Arbeitgeberin habe bezüglich der Personalbedarfsplanung eine nicht überprüfbare unternehmerische Entscheidung getroffen, an die das Arbeitsgericht gebunden sei.

I...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge