Rechtsmittel eingelegt unter dem Aktenzeichen: 7 ABR 77/11

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsratswahlanfechtung. Anfechtungsgründe

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Verpflichtung zur korrekten Registrierung der abgegebenen Stimmen i.S.v. § 12 Abs. 3 WO in der Wählerliste handelt es sich nicht nur um ein Kontrollinstrument von untergeordneter Bedeutung, sondern um eine wesentliche Wahlvorschrift. Sie dient der Kontrolle der Wahlberechtigung und soll vor allem verhindern, dass Stimmen mehrfach abgegeben werden.

 

Normenkette

BetrVG § 19; WO § 12 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hannover (Beschluss vom 11.11.2010; Aktenzeichen 11 BV 9/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 12.06.2013; Aktenzeichen 7 ABR 77/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerden des Arbeitgebers und des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 11.11.2010, 11 BV 9/10, abgeändert.

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Gegenstand des Beschlussverfahrens ist die Anfechtung der Betriebsratswahl vom 03. und 04.03. im Werk H-Stadt des Arbeitgebers. Antragsteller sind acht wahlberechtigte Arbeitnehmer und eine Arbeitnehmerin, die im Übrigen als Wahlbewerber auf dem Wahlvorschlag 5 (Liste Opposition) kandidiert haben. Die Antragsteller begründen die Wahlanfechtung vor allem damit, dass die Zahl der abgegebenen Wahlumschläge und die Zahl der in der Wählerliste erfassten Stimmabgaben differiert. Außerdem machen sie weitere Anfechtungsgründe geltend wie z.B. Behinderung der Wahlwerbung für die Liste Opposition.

Für die Betriebsratswahl waren mehrere Wahllokale eingerichtet, es bestand auch die Möglichkeit der Briefwahl. Die Mitarbeiter konnten in jedem Wahllokal ihre Stimme abgeben. Dabei wurde die Stimmabgabe erfasst durch Einscannen eines Barcodes auf dem Werksausweis (Einscannen des Werksausweises) und entsprechendem Vermerk in der elektronischen Wählerliste.

Unter dem 15.03.2010 hat der Wahlvorstand als Ergebnis der Wahl bekannt gegeben:

abgegebene Wahlumschläge

10.346

gültige Stimmen

10.162

ungültige Stimmen

184

Wahlvorschlag 1:

Stimmen

8.911

Sitze

36

Wahlvorschlag

2:

Stimmen

175

Sitze

0

Wahlvorschlag 3:

Stimmen

543

Sitze

2

Wahlvorschlag 4:

Stimmen

94

Sitze

0

Wahlvorschlag 5:

Stimmen

439

Sitze

1

Die Antragsteller haben vorgetragen, der Vorsitzende des Wahlvorstandes (der Zeuge A.) habe die Differenz zwischen abgegebenen Wahlumschlägen und Stimmabgabe nach elektronischer Wählerliste mit 122 angegeben. Eine Auswertung der elektronischen Wählerliste durch die Antragsteller habe ergeben, dass 101 Stimmen mehr abgegeben worden seien als Wähler registriert wurden. Arbeitgeber und Betriebsrat geben eine Differenz von 105 Stimmen an.

Bis maximal 61 abgegebene Doppelstimmen haben keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis. Wären dagegen 62 Doppelstimmen für den Wahlvorschlag 3 vorhanden, hätte sich ein anderes Ergebnis ergeben. Bereinigt um 62 Doppelstimmen hätte die Liste 3 nur 1 Betriebsratsmitglied gestellt, die Liste 1 dagegen hätte ein weiteres Mandat erhalten.

Während des Wahlanfechtungsverfahrens hat der Vorsitzende des Wahlvorstandes Überprüfungen durchgeführt, um die Stimmdifferenz aufzuklären. Mit Einverständnis des Arbeitgebers und des Betriebsrates ist der Zeuge B. eingeschaltet worden. Er ist Angestellter einer Fremdfirma, die im IT-Bereich für den Arbeitgeber tätig ist. Nach Vortrag von Arbeitgeber und Betriebsrat ist von ihm festgestellt worden, dass in 75 Fällen der Werksausweis eingescannt wurde, die Stimmabgabe im Wählerverzeichnis aber nicht erfasst ist. Der Arbeitgeber hat im Beschwerdeverfahren vorgelegt mit Anlage 2 (Bl. 349 ff. d.A.) auszugsweise Liste der eingegebenen Ausweise, fehlende Registrierung hervorgehoben. Er hat außerdem mit Anlage 3 a und b (Bl. 463 ff. d.A.) einen Ausdruck der elektronischen Wählerlisten eingereicht, in denen namentlich erkennbar die Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen aufgeführt sind, die nach seinem Vortrag gewählt haben, aber nicht als Wähler registriert worden sind. Auf den Inhalt der Anlagen wird Bezug genommen.

Nach dem Vortrag des Arbeitgebers sind sodann vom Wahlvorstandsvorsitzenden, dem Zeugen A., und einem Mitarbeiter der Personalabteilung 68 der nicht registrierten Wähler befragt worden. Diese hätten freiwillig erklärt, dass sie ihre Stimmen abgegeben haben.

Die Antragsteller haben weitere Anfechtungsgründe geltend gemacht, die nachfolgend skizziert sind. Wegen Einzelheiten wird Bezug genommen auf das erstinstanzliche Vorbringen der Beteiligten, insbesondere auf die Antragsschrift.

1. Behinderung der Wahlwerbung für die Liste Opposition. 15 Bereiche des Werkes seien für Wahlbewerber nicht frei zugänglich gewesen. Eine entsprechende Freischaltung des Werksausweises sei beantragt, aber abgelehnt worden. Der vom Arbeitgeber gestattete Zugang nach Anmeldung in diese Bereiche sei nicht ausreichend gewesen, eine flächendeckende Wahlwerbung zu ermöglichen. Wegen des Anmeldungserfordernisses sei es in Einzelfällen nicht möglich gewesen, einzelne Bereiche zu betreten und für d...

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