Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats zur Personalplanung der Arbeitgeberin. Antrag des Betriebsrats einer psychiatrischen Klinik auf Übergabe von Unterlagen zum ermittelten Personalbedarf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 92 Abs. 1 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat alle Tatsachen bekannt geben, die er zur Grundlage seiner jeweiligen Personalplanung machen will. Der Betriebsrat soll sich vergewissern können, ob die vom Arbeitgeber zur Personalplanung gemachten Angaben auch tatsächlich zutreffen (vgl. BAG 19.06.1984 - 1 ABR 6/83 -).

2. Die Verwirklichung des Vorschlagsrechts gemäß § 92 Abs. 2 BetrVG setzt eine umfassendere Unterrichtung des Betriebsrats als nach § 92 Abs. 1 BetrVG voraus. Dem Betriebsrat sind hierzu nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG auf Verlangen die erforderlichen Unterlagen schon dann zur Verfügung zu stellen, wenn erst ihre Prüfung ergeben kann, ob der Betriebsrat aus eigener Initiative zur Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben tätig werden soll oder kann, sofern nur wahrscheinlich ist, dass die geforderten Unterlagen eine solche Überprüfung überhaupt erst ermöglichen.

3. Zur Frage, ob und inwieweit der Betreiber eines psychiatrischen Krankenhauses verpflichtet ist, den bei ihm gebildeten Betriebsrat anhand von Unterlagen über den aufgrund der sogenannten Psychiatrie Personalverordnung (Psych PV) ermittelten Personalbedarf für Ärzte, Krankenpflegepersonal und sonstiges therapeutisches Fachpersonal zu informieren.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zur Personalplanung im Sinne des § 92 BetrVG gehören die Personalbedarfsplanung, die Personaldeckungsplanung, die Personalentwicklungsplanung und die Personaleinsatzplanung.

2. Die Psychiatrie Personalverordnung (Psych PV) regelt die Grundsätze zur Ermittlung des Personalbedarfs für Ärzte, Krankenpflegepersonal und sonstiges therapeutisches Fachpersonal in psychiatrischen Einrichtungen; die Unterlagen der L2-Statistik und die Personalstellenberechnung nach Psych-PV aus der jeweiligen Pflegesatzvereinbarung mit der Krankenkasse enthalten aufgeschlüsselt nach Berufs- oder Personalgruppen die unter Einbeziehung der Behandlungsbereiche und deren durchschnittlicher Zahl der Patienten sowie unter Berücksichtigung der tariflichen Arbeitszeit oder entsprechender Arbeitszeitregelungen und zu erwartender Ausfallzeiten ermittelten Personalstellen.

3. Der Anspruch des Betriebsrats gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG beinhaltet das Zurverfügungstellen der Unterlagen, so dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat entweder das Original, eine Durchschrift oder Fotokopie für eine angemessene Zeit auszuhändigen hat; soweit mit einem auf "Übergabe" gerichteten Antrag weitergehend eine dauerhafte Herausgabe etwa von Fotokopien geltend gemacht wird, ist er zurückzuweisen.

4. Der Anspruch gemäß § 92 Abs. 2 BetrVG und § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist zeitlich begrenzt, da sich die Personalplanung insbesondere auf den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf bezieht; selbst wenn sich aus der Entwicklung in der Vergangenheit für die Ausübung des Vorschlagsrechts des Betriebsrats bedeutsame Rückschlüsse/Schlussfolgerungen für die zukünftige Personalentwicklung ergeben können, rechtfertigt dies ohne konkrete nähere Begründung keine weitergehende Unterrichtung als über die beiden dem aktuellen Planungsjahr vorangegangenen Jahre.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 1 S. 1, § 80 Abs. 2 S. 2, § 92 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Göttingen (Entscheidung vom 06.01.2015; Aktenzeichen 2 BV 13/14)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 24.10.2017; Aktenzeichen 1 ABR 45/16)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Göttingen vom 06.01.2015 (2 BV 13/14) teilweise abgeändert.

a) Die Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, den Antragsteller über den Inhalt der Übersicht "L2 Personal des Krankenhauses" und die Personalstellenberechnung nach Psych-PV aus den jeweiligen Pflegesatzvereinbarungen mit der Krankenkasse für die Jahre 2014 bis 2016 durch Vorlage von Unterlagen zu unterrichten.

b) Es wird festgestellt, dass die Beteiligte zu 2 verpflichtet ist, den Antragsteller über den Inhalt der Übersicht "L2 Personal des Krankenhauses" und die Personalstellenberechnung nach Psych-PV aus der Pflegesatzvereinbarung mit der Krankenkasse für das Jahr 2017 durch Vorlage von Unterlagen zu unterrichten.

c) Die Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, den Antragsteller von den Kosten seiner Vertretung durch die Rechtsanwälte G. für die erste Instanz in Höhe von 931,18 € und für die zweite Instanz in Höhe von 1.128,60 € freizustellen.

Die weitergehende Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird hinsichtlich der Anträge zu 1 und zu 2 zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über den Umfang von Unterrichtungsansprüchen des Antragstellers im Zusammenhang mit der Personalplanung.

Die Beteiligte zu 2 betreibt psychiatrische Fachkliniken in G-Stadt und T-Stadt. Der Antragsteller ist der für diese Kliniken gewählte Betriebsra...

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