Entscheidungsstichwort (Thema)

Künstlerisches Personal an der Hochschule für Fernsehen und Film. Unwirksam befristetes Arbeitsverhältnis einer Lehrbeauftragten und Prüferin bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur Beschäftigung als “künstlerische Mitarbeiterin„

 

Leitsatz (amtlich)

Zum künstlerischen Personal zählt, wer künstlerische Dienstleistungen zu erbringen hat. In Anknüpfung an den (materialen) Kunstbegriff des Art. 5 Abs. 3 GG und unter Berücksichtigung des Normzwecks des WissZeitVG erscheint es sachgerecht, auf den schöpferisch-gestaltenden Charakter des Wirkens abzustellen. Dem Beschäftigten muss es zur Erfüllung der vertraglichen Aufgaben also obliegen, selbst schöpferisch-gestaltend tätig zu werden und/oder die Studierenden unmittelbar dazu anzuleiten oder dabei zu unterstützen, ihre Befähigung zu schöpferisch-gestaltendem Wirken zu entwickeln. Eine ihrer Ausbildung nur im weiteren Sinne förderliche Tätigkeit - etwa durch die Vermittlung technisch-praktischen Basiswissens - genügt hierfür nicht.

 

Normenkette

WissZeitVG § 1 Abs. 1 S. 1; GG Art. 5 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 17.11.2015; Aktenzeichen 23 Ca 5948/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.12.2018; Aktenzeichen 7 AZR 79/17)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 17.11.2015 - 23 Ca 5948/15 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Befristung auf der Grundlage der §§ 1, 2 WissZeitVG.

Die Klägerin war ab dem 11.05.2009 aufgrund zweier befristeter Arbeitsverträge für den Beklagten an der Hochschule für Fernsehen und Film A-Stadt (HFF) tätig. Der letzte Arbeitsvertrag vom 02.05.2012 hatte eine Beschäftigung als teilzeitbeschäftigte "künstlerische Mitarbeiterin" zum Gegenstand und enthielt eine Befristung vom 11.05.2012 bis zum 10.05.2015 unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 und 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG. § 5 des Arbeitsvertrages regelte eine Lehrverpflichtung der Klägerin entsprechend den einschlägigen hochschulrechtlichen Bestimmungen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt ca. € 0,--. Zusätzlich übte die Klägerin eine Nebentätigkeit als Dozentin am Studienzentrum für Filmtechnologie (SFT) aus, einer wissenschaftlichen Einrichtung der HFF. Seit Juli 2011 war die Klägerin als gewählte Vertreterin für die Mitarbeitergruppe der künstlerisch-wissenschaftlichen Mitarbeiter Mitglied des Senats.

Das Ende der im Arbeitsvertrag genannten Befristung zum 10.05.2015 wurde vom Beklagten auf Antrag mehrfach, zuletzt bis einschließlich 29.06.2015 verlängert. Die tatsächliche Beschäftigung der Klägerin endete an diesem Tage.

Die HFF ist laut Bayer. Hochschulgesetz eine Kunsthochschule, an der Ausbildung für folgende Tätigkeitsfelder, jeweils für fiktionale und dokumentarische Formen, in Film und Fernsehen stattfindet: Regie, Produktion und Medienwirtschaft sowie Drehbuchentwicklung und Kameraführung. Sie ist in fünf Fachabteilungen und zwei GrundlagenAbteilungen gegliedert, von denen eine die Abteilung Technik (II) ist. In dieser war die Klägerin fortlaufend tätig. Das Lehrprogramm der Abteilung II Technik besteht grundsätzlich aus vier Blockseminaren: "Einführung in die Kinematografie" (1. Semester), "Fernsehen" (3. Semester), "Farbaufnahme analog und digital" (5 Semester) und "Postproduktion" (6. Semester). Die Klägerin lehrte in allen vier Seminaren als Dozentin; ab 2011 hatte sie die Leitung des Seminars "Farbaufnahme analog und digital" inne. Hierfür konzipierte sie im Jahr 2011 mit einem weiteren Mitarbeiter einen umfassenden Vergleichstest zwischen verschiedenen Kamerasystemen ("Battle of the Systems" genannt), der seitdem Bestandteil des Seminars ist. Im Rahmen des Seminars wurden die Studierenden in fünf bis sechs Gruppen, mit jeweils unterschiedlichen Kamerasystemen ausgestattet, aufgeteilt und von einer entsprechenden Anzahl an Dozenten betreut. Die ca. 12 Beispielszenen wurden jährlich wechselnd neu mit einer Szenenbildnerin und dem Studiomeister der HFF gestaltet. Als Aufgabenstellungen gab es u.a. ein Set mit einem Zimmer für einen Kontrastumfang von 15 Blendenstufen sowie ein Set, in dem es um die Farbwiedergabe spektralreiner LED-Lichtquellen in Verbindung mit Hauttönen ging. Die Klägerin hatte hierzu einen Protokollbogen konzipiert, in den die jeweiligen technischen Parameter in tabellarischer Form einzutragen waren. Ausweislich des als Anlage B 5 vorgelegten Protokollbogens waren dies "Einstellung, Take, K/NK, Filter, Blende Graukarte, Blende Hautton, Blende hellste, Blende dunkelste, eingestellte Blende, Brennw. & Objektiv, Einstellentfernung, Clipname & -nummer, Messwerte z.B. Lichtwerte, Lichtplan Skizzen, Bemerkungen: Zeichnung auf der Rückseite".

Die von den Studierenden über die Ergebnisse zu erstellenden Berichte enthielten neben dem technischen Protokoll weitere Beschreibungen. De...

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