Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung des normativen Teils des Tarifvertrags. Tariflicher Garantiebetrag nach § 16 Abs. 3 TVöD nur während der Stufenlaufzeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können.

2. Die Vorschrift des § 17 Abs. 4 TVöD legt fest, dass die Zahlung eines tariflichen Garantiebetrages nur während der Stufenlaufzeit erfolgt. Mit dem Erreichen der Endstufe (Stufe 6) ist begrifflich das Bestehen einer "aktiven" Stufenlaufzeit nicht mehr möglich. Damit endet der Anspruch auf Zahlung des tariflichen Garantiebetrages.

 

Normenkette

TVöD § 12 Anl. 1 EntgO EG 9, § 12 Anl. 1 EntgO EG 9a, § 12 Anl. 1 EntgO EG 9b, § 16 Abs. 3, § 17 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Entscheidung vom 28.07.2020; Aktenzeichen 9 Ca 2272/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.06.2022; Aktenzeichen 6 AZR 411/21)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 28.07.2020 - 9 Ca 2272/19 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Gewährung eines tariflichen Garantiebeitrages.

Der Kläger ist seit 01.01.1998 bei der Beklagten zu 1) auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrags vom 04.10.1989, in dem auf die Anwendbarkeit des Bundesangestelltentarifvertrags (BAT) vom 23.02.1961 und den diesen ersetzenden Tarifverträgen verwiesen wird, beschäftigt, zuletzt als Theatermeister mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 4.750,00 €, wobei er bis zum 31.08.2018 beim städtischen Eigenbetriebsstaatstheater A. eingesetzt war. Bis zum 31.12.2016 war der Kläger in die Entgeltgruppe 9 des TVöD eingruppiert und zum 01.01.2017 wurde er in die Entgeltgruppe 9 a des TVöD übergeleitet. Einem Antrag des Klägers vom 19.12.2017 auf Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9 b wurde am 17.01. 2018 rückwirkend zum 01.01.2017 stattgegeben. Weiter wurde dem Kläger nach § 17 IV TVöD in der bis 31.01.2017 geltenden Fassung ein Garantiebetrag im Zeitraum vom 01.01.17 - 31.01.17 iHv. 64,01 € pro Monat und ab 01.02.2017 iHv. 60,32 € pro Monat gewährt.

§ 17 IV TVöD lautete auszugsweise:

"Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Beschäftigten derjenigen Stufe zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2.

Beträgt der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Tabellenentgelt und dem Tabellenentgelt nach Satz 1

- in den Entgeltgruppen 1 - 8 vom 1.3.2016 an weniger als 57,63 €

- in den Entgeltgruppen 9 a - 15 vom 1.3.2016 an weniger als 92,22 €

so erhält die/der Beschäftigte während der betreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrages den vorgenannten jeweils zustehenden Garantiebetrag."

Die in § 17 IV S. 2 TVöD angesprochene Stufenlaufzeit ist in § 16 III TVöD definiert und lautet wie folgt:

"Die Beschäftigten erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an abhängig von ihrer Leistung gemäß § 17 II - nachfolgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit):

o Stufe 2 nach einem Jahr in der Stufe 1,

o Stufe 3 nach 2 Jahren in der Stufe 2,

o Stufe 4 nach 3 Jahren in der Stufe 3,

o Stufe 5 nach 4 Jahren in der Stufe 4 und

o Stufe 6 nach 5 Jahren in der Stufe 5."

Mit der Einführung der stufengleichen Höhergruppierung zum 01.03.2017 wurde der Garantiebetrag im TVöD abgeschafft.

Zum 01.09.2018 ging der städtische Eigenbetrieb Theater A. im Zuge eines Betriebsübergangs auf die Stiftung Staatstheater A., die Beklagte zu 2 über, wobei der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses in Rahmen des Betriebsübergangs widersprochen hat.

Mit einem Schreiben vom 26.02.2019 (Bl. 39 d.A.) teilte die Beklagten zu 1) dem Kläger mit, dass sie die nach ihrer Auffassung im Zeitraum 01.07. bis 31.12.2018 zu Unrecht gezahlten Garantiebeträge zurückfordert und mit dem Gehalt für den Monat Januar 2019 verrechnet. Gegen diese Rückforderung sowie gegen die Einstellung der Zahlung des Garantiebetrages ab Januar 2019 wandte sich der Kläger mit einem Schreiben vom 27.05.2019 (Bl. 41 d. A.).

Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger gemeint, dass er einen Anspruch auf Weiterzahlung des monatlichen Garantiebetrages gem. § 17 IV TVöD in der Fassung des 28.02.2017 habe, wobei er gemeint hat, dass dieser Anspruch gegen beide Beklagte bestünde, da er zwar arbeitsrechtlich - nach dem Betriebsübergang - noch zur Beklagte zu 1) ...

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