Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründeter Zustimmungsersetzungsantrag der Arbeitgeberin zur außerordentlichen Kündigung bei unzureichender Sachverhaltsaufklärung durch Arbeitgeberin. Hilfsantrag auf Ausschluss aus dem Betriebsrat nach Ablauf der Amtsperiode und Wiederwahl. Unbegründete Kündigung eines Betriebsratsmitgliedes wegen des dringenden Verdachts unwahrer Tatsachenbehauptungen in der Öffentlichkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein dringender Verdacht, der eine Verdachtskündigung begründen soll, ergibt sich nicht alleine aus einem wörtlichen Zitat in einem Zeitungsartikel.

2. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, vor Ausspruch einer Verdachtskündigung den Sachverhalt zunächst selbst aufzuklären, hat auch zum Inhalt, dass er die Personen anhören muss, die bei dem verdachtsauslösendem Vorgang anwesend waren (ebenso Hessisches LAG vom 24.10.2012 - 12 TaBV 46/11).

3. Die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB wird nicht dadurch gehemmt, dass der Arbeitgeber nach persönlichen Gesprächen mit Zeugen der Handlungen, die einen wichtigen Grund darstellen sollen, noch schriftliche Stellungnahmen einholt.

4. Der Ausschluss eines Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsrat nach § 23 Abs. 1 BetrVG ist nicht möglich, wenn die Amtszeit, in der das Betriebsratsmitglied seine Pflichten grob verletzt haben soll, abgelaufen ist und das Betriebsratsmitglied wieder in den nach Ablauf der Amtsperiode gebildeten Betriebsrat gewählt worden ist (ähnlich BAG vom 29.04.1969 - 1 ABR 19/68 - AP Nr. 9 zu § 23 BetrVG).

 

Normenkette

BetrVG §§ 103, 23 Abs. 1; BGB § 626; BetrVG § 103 Abs. 2 S. 1; BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Entscheidung vom 02.05.2013; Aktenzeichen 2 BV 18/12)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 und 3 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 02.05.2013 - 2 BV 18/12 - abgeändert.

Die Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten über die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3 sowie über den Ausschluss des Beteiligten zu 3 aus dem Betriebsrat (Hilfsantrag).

Die Arbeitgeberin (Antragstellerin) betreibt in A-Stadt einen Freizeitpark, in dem neben zahlreichen Saisonkräften etwa 200 Mitarbeiter als Stammbelegschaft beschäftigt sind.

Der Beteiligte zu 2 ist der dort errichtete Betriebsrat. Der Beteiligte zu 3 ist der Vorsitzende dieses Betriebsrats und freigestellt. Er ist am 07.02.1964 geboren, verheiratet und seit 01.09.2008 als Mechaniker bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom August 2008 (Bl. 169 ff d.A.) beträgt der Urlaubsanspruch 30 Arbeitstage pro Jahr und die Kündigungsfrist nach Ablauf der Probezeit einen Monat zum Monatsende.

Schon vor Oktober 2012 hatte die Gewerkschaft NGG versucht, mit der Arbeitgeberin über den Abschluss eines Tarifvertrages zu verhandeln. Am 29.10.2012 fanden zeitlich versetzt zwei Betriebsversammlungen statt, zu denen der Betriebsrat eingeladen hatte (Einladung Bl. 114 d.A.). Auf diesen Versammlungen trat der Beteiligte zu 3 für den Betriebsrat auf. Außerdem ergriff der NGG - Gewerkschaftssekretär P das Wort.

Am 31.10.2012 fand bei der Arbeitgeberin ein von der Gewerkschaft NGG initiierter Warnstreik statt. Streikende Mitarbeiter, auch der Beteiligte zu 3, versammelten sich in den Morgenstunden dieses Tages zunächst vor dem Betriebsgelände. Der Beteiligte zu 3 verteilte ein Informationsblatt der NGG (Anlage ASt 42, Bl. 782 d.A.). Zwischen 9:00 Uhr und 9:30 Uhr sprach der Beteiligte zu 3 im Clubhaus auf dem Betriebsgelände mehrere Arbeitnehmer im Zusammenhang mit dem Streik an. Der Inhalt seiner Äußerungen ist zwischen den Beteiligten streitig.

Am 15.11.2012 erschien in der Qu Zeitung ein Artikel mit dem Titel "Unruhe im Rparadies" (Bl.30 d.A.: = Anlage ASt 1).

In diesem Artikel heißt es u.A.:

Auch der Betriebsratsvorsitzende L. zeigt sich entschlossen: "Es wird jetzt Zeit, dass sich die Geschäftsführung mit uns an den Tisch setzt". L. berichtet, einige Kollegen seien nach dem ersten Warnstreik "ganz massiv" von Vorgesetzten bedroht worden: "Manche wurden angeschrien, und man hat ihnen gesagt, dass sie nächstes Jahr keinen Vertrag bekommen, wenn sie noch einmal streiken".

Des Weiteren heißt es in dem Artikel:

Betriebsratschef L. kritisiert die Bonuszahlungen scharf: "Das läuft völlig intrasparent hinter dem Rücken des Betriebsrats, das kann nicht sein" Manche bekämen mehr, manche weniger und manche gar nichts. L.: "Bei uns heißt es nur Kumpelbonus" Zur Aufklärung des Sachverhaltes wandte sich die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 21.11.2012 an den Beteiligten zu 3 (Bl.31/32 d.A. = Anlage ASt 2). Darin heißt es auszugsweise:

"Sehr geehrter Herr L.,

der nachfolgend geschilderte Sachverhalt begründet den Verdacht schwerwiegender arbeitsvertraglicher Pflichtverletzung, wozu Sie hiermit gehört werden.

In dem ... Artikel ... werden Sie wie folgt ... zitiert:

(Anm: es folgt das o.g. erste Zitat des Zeitunsgsa...

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