Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltabrechnung bei Beschäftigung in einer Transfergesellschaft. Auslegung eines dreiseitigen Vertrages unter Hinzuziehung des zugrundeliegenden Sozialplans

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei den Klauseln eines dreiseitigen Vertrages, mit dem im Rahmen eines Interessenausgleichs ein Arbeitsverhältnis beendet und eine befristete Beschäftigung in einer Transfergesellschaft begründet wird, handelt es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen, die nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind; Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut.

2. Ist der Wortlaut eines dreiseitigen Vertrages nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreises zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss; soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Zwecke gelten.

3. Bei der Auslegung eines dreiseitigen Vertrages zur Beschäftigung in einer Transfergesellschaft ist auch der zugrundeliegende Sozialplan heranzuziehen und auszulegen.

4. Ist im dreiseitigen Vertrag wie auch im Sozialplan eindeutig geregelt, dass die zu zahlende Vergütung unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit erfolgt, ist zunächst die Nettogesamtleistung einkommensteuerfreier Zahlungen (der Agentur für Arbeit) zu errechnen und hiervon das Kurzarbeitergeld abzuziehen, da ein Nettoentgelt nicht von einem Bruttoentgelt abziehbar ist.

5. Im Rahmen der Auslegung sind auch die beiderseitigen Interessen mit einzubeziehen und nicht etwa nur einseitige Interessen des Arbeitnehmers.

6. Soweit auf eine steuerfreie Leistung keine Steuer anfällt, führt diese Zahlung jedoch im Rahmen eines Progressionsvorbehaltes zur Erhöhung des Einkommens, was wiederum über den Progressionsvorbehalt zu einer erhöhten Steuer und eventuellen Steuernachzahlung führen kann; bleiben dem Arbeitnehmer Formulierungen der vertraglichen Klausel zum Progressionsvorbehalt unklar, hat er insoweit nachzufragen oder rechtlichen Rat einzuholen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157; SGB III § 106 Abs. 2 S. 2; BGB § 305c; BetrVG § 112 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 20.02.2014; Aktenzeichen 12 Ca 2061/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.12.2015; Aktenzeichen 5 AZR 567/14)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München (Az.: 12 Ca 2061/13) vom 20.02.2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die richtige Abrechnung des dem Kläger im Rahmen einer Transfergesellschaft zustehenden Entgelts.

Der Kläger war bis 31.08.2012 bei der E. GmbH & Co. KG (Fa. E.) beschäftigt. Der Verdienst des Klägers lag dort zuletzt (August 2012) bei monatlich € 6.569,92 brutto.

Aufgrund einer erheblichen Verlustsituation bei der Fa. E. war insoweit eine Standortschließung vor allem betreffend einen Standort in der St.-Martin-Straße in B-Stadt geplant. Des Weiteren sollten weitere Restrukturierungsmaßnahmen stattfinden. Während für den Bereich der St.-Martin-Straße B-Stadt ein Transfer- und Sozialtarifvertrag zwischen der Fa. E. und der IG-Metall abgeschlossen wurde, wurde für den Bereich der Region Süd, in der der Kläger beschäftigt war, nach Verhandlungen am 26.07.2012 ein Sozialplan abgeschlossen.

Der Kläger unterzeichnete am 06.08.2012 einen dreiseitigen Vertrag vom 30.07.2012, mit dem sein Arbeitsverhältnis zur Fa. E. mit Ablauf des 31.08.2012 beendet wurde und er zum 01.09.2012 befristet bis 28.02.2014 in die Transfergesellschaft der Beklagten übertrat. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete schließlich aufgrund Eigenkündigung des Klägers zum 08.12.2013.

Der dreiseitige Vertrag beinhaltet unter Anderem folgende Regelungen:

"Präambel

1. Am 26.07.2012 wurde ein Interessenausgleich und ein Sozialplan mit dem Betriebsrat der Region Süd der E. abgeschlossen. Die Bestimmungen dieser Vereinbarungen sind dem Arbeitnehmer bekannt. Dem Arbeitnehmer ist auch bekannt, dass sein Arbeitsplatz bei E. entfällt und insoweit das Arbeitsverhältnis bei E. mit Wirkung zum 31.08.2012 aus betriebsbedingten Gründen beendet werden muss. Aus diesem Grund wird dem Arbeitnehmer ein befristetes Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis mit der E.-TG angeboten, um eine betriebsbedingte Kündigung zu vermeiden.

2. Die E.-TG wird für den Arbeitnehmer Transferkurzarbeitergeld i.S.d. § 111 SGB III beantragen.

...

Abschnitt B: Begründung ...

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