Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung eines Dekrets der Ordenskongregation des Vatikans. Zustimmung der Ordenskongregation vor Ausspruch einer Kündigung durch die vom Vatikan eingesetzte apostolische Kommissarin der Klosterverwaltung. Keine Analogie zum deutschen GmbH-Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird durch die Ordenskongregation des Vatikans eine apostolische Kommissarin zur Leitung und Verwaltung eines Klosters eingesetzt und durch Dekret bei der Umsetzung jeglicher Entscheidung in wirtschaftlichen Angelegenheiten an die Zustimmung der Ordenskongregation gebunden, hat sie vor Ausspruch einer Kündigung gegenüber einer Beschäftigten des Klosters vorab diese Zustimmung einzuholen.

2. Bestimmt das Dekret, dass andernfalls die Maßnahme nichtig ist, ist für eine Analogie zum deutschen GmbH-Recht kein Raum.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Auslegung eines Dekrets der Ordenskongregation des Vatikans richtet sich nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Bei dem Dekret handelt es sich um einen Akt päpstlichen Jurisdiktionsprimats, weshalb es wie bei der Gesetzesauslegung darum geht, festzustellen, wie der Normunterworfene und das Gericht seinen Inhalt zu verstehen haben. Entsprechend der Gesetzesauslegung ist das Dekret objektiv auszulegen.

 

Normenkette

BGB §§ 138, 142, 313 Abs. 3, § 613a Abs. 4, § 626

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 06.02.2020; Aktenzeichen 2 Ca 10614/19)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 06.02.2020 - 2 Ca 10614/19 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und ob dieses wirksam gekündigt worden ist.

Bei der Beklagten handelt es sich um eine anerkannte Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts verfasst ist. Nach ihren Konstitutionen wird die Ordensgemeinschaft durch die Oberin vertreten (Anlage B5 = Bl. 155 d. A.; vgl. dort Vorbemerkung Absatz 7; im Folgenden: Konstitutionen). 2016 beschloss der Vatikan, das Kloster nach Klärung des kanonischen Status der verbleibenden Schwestern aufzulösen. Da dem Kloster keine Oberin mehr vorstand, beauftragte der zuständige Erzbischof von D-Stadt und D-Stadt durch Dekret vom 18.01.2018 einen Wirtschaftsprüfer/Steuerberater mit der gesamten Wirtschaftsverwaltung des Klosters einschließlich seiner Wirtschaftsbetriebe. In dem Dekret heißt es auszugsweise:

"Die schriftliche Genehmigung der mit der Durchführung der Stiftungsaufsicht beauftragten Erzbischöflichen Finanzkammer ersetzt die gemäß Kapitel 1, Abschnitt IV, Nr. 13 a der Konstitutionen erforderliche Zustimmung des derzeit nicht vorhandenen Schwesternrates bei außerordentlichen Ausgaben, welche die Summe von DM 10.000,-- (€ 5.112,92) übersteigen. Für außerordentliche Ausgaben, welche die Summe von DM 20.000,-- (€ 10.225,84) übersteigen, tritt die schriftliche Genehmigung durch die Erzbischöfliche Finanzkammer sowohl an die Stelle der Zustimmung des derzeit nicht vorhandenen Schwesternrates wie auch an die darüber hinaus geforderte Erlaubnis des Erzbischöflichen Ordinariats."

Für den übrigen Inhalt des Dekrets wird auf die Anlage K2 (= Bl. 15 f. d. A.) Bezug genommen.

Am 09.08.2018 schloss der Verwalter mit der Klägerin einen Arbeitsvertrag, wonach sie ab 01.09.2018 auf unbestimmte Zeit als Landwirtschaftsmeisterin in der Landwirtschaft des Klosters unter Geltung der arbeitsvertraglichen Regelungen der Bayerischen Diözesen (ABD) in ihrer jeweils geltenden Fassung eingestellt werden sollte. Der Arbeitsvertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung des rechtswirksamen Austritts der Klägerin aus dem Orden. Neben der ordentlichen Unkündbarkeit war der Klägerin eine Versorgungszusage mit 71,75 % des monatlichen Bruttotabellenentgelts der Besoldungsgruppe A8 der Bayerischen Beamtenbesoldung, die Geltung der Vertrauensarbeitszeit und ergänzend eine unentgeltliche Wohnungsüberlassung zugesagt worden. Ebenfalls am 09.08.2018 erteilte die Erzbischöfliche Finanzkammer D-Stadt die kirchenaufsichtliche Genehmigung, unterzeichnet vom stellvertretenden erzbischöflichen Finanzdirektor und dem Hauptabteilungsleiter Stiftungsaufsicht (vgl. Bl. 14 d. A.). Die Klägerin trat am 20.08.2018 aus dem Orden aus und wurde entsprechend dem Arbeitsvertrag beschäftigt.

Im Oktober 2018 beschloss der Vatikan, die Selbständigkeit des Schwesternkonvents zu erhalten. Die Kongregation für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens (im Folgenden: Ordenskongregation bzw. Dikasterium) ernannte durch Dekret vom 18.10.2018 eine apostolische Kommissarin und bestimmte in diesem:

"Die Apostolische Kommissarin hat die Aufgabe, die Gemeinschaft zu leiten und in Übereinstimmung mit der Instruktion Cor Orans und der Apostolischen Konstitution Vultum Dei quaerere einer dauerhaften Regelung zuzuführen. Sie hat daher die Kompetenzen der Oberin und des Rat...

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