Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnungserfordernis bei verhaltensbedingter Kündigung. Unwirksame außerordentliche Kündigung bei fehlender Abmahnung arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen. Fehlendes Rechtsschutzinteresse für Antrag auf Zwischenzeugnis neben Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Stellt der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess einen Antrag auf Erteilung eines Endzeugnisses und hat er dazu auch noch einen Berichtigungsantrag gestellt, besteht im Einzelfall kein darüber hinaus feststellbares zusätzliches Interesse an einem Zwischenzeugnis; der Zeugnisberichtigungsanspruch macht hinreichend deutlich, dass der Arbeitnehmer Wert auf die Erteilung dieses Endzeugnisses legt.

2. Das Erfordernis einer Abmahnung dient der Begründung der einer Kündigung zugrunde liegenden Erwartung für die Zukunft ("Prognoseprinzip") und der Wirksamkeit der Kündigung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit.

3. Kündigungsgrund ist grundsätzlich nicht die Vertragspflichtverletzung des Arbeitnehmers in der Vergangenheit und deren Ahndung sondern immer eine Vorhersage für die Zukunft dahingehend, dass künftige Vertragsverletzungen gleicher Art zu erwarten sind oder aber, dass eine sinnvolle Zusammenarbeit etwa auch wegen Störung des dem Arbeitsverhältnis zugrunde liegenden Vertrauensverhältnisses nicht mehr zu erwarten ist.

4. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil der Arbeitgeberin sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind; als mildere Reaktionen sind insbesondere Abmahnung und ordentliche Kündigung anzusehen, soweit sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck (die Vermeidung der Gefahr künftiger Störungen) zu erreichen.

5. Das Erfordernis einer vorherigen Abmahnung gilt im Bereich des steuerbaren Verhaltens, insbesondere auch bei Störungen im Vertrauensbereich; die Abmahnung ist, wie § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB und § 323 Abs. 2 BGB zeigen, nur unter besonderen Umständen entbehrlich, wenn nämlich eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass die Hinnahme durch die Arbeitgeberin offensichtlich (und für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG §§ 1, 9-10; GewO § 9; BGB § 314 Abs. 2, § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, § 9 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 05.06.2013; Aktenzeichen 22 Ca 7176/12)

 

Tenor

1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München (Az.: 22 Ca 7176/12) vom 05.06.2013 werden zurückgewiesen.

2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, soweit für die Berufung von Bedeutung, über die Wirksamkeit der Kündigungen vom 11.06., 13.06. und 23.11.2012 sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers und den Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses. Des Weiteren hat die Beklagte hilfsweise einen Auflösungsantrag gestellt und begehrt im Wege der Widerklage Schadensersatz vom Kläger.

Der am 17.04.1965 geborene, gegenüber einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war bei der Beklagten gemäß Anstellungsvertrag vom 17.11.2010 seit dem 10.01.2011 als Vertriebsleiter E-Commerce beschäftigt. Er war zuständig für den Betrieb der Online-Shops der Beklagten für die Marken Falke und Burlington. Die vereinbarte Vergütung bestand aus einem Fixum in Höhe von 10.833,33 €, das am Monatsende ausgezahlt wurde. Hinzu kam eine Zielerreichungsprämie in Höhe von maximal 30.000,- € jährlich bei 100%iger Zielerreichung. Die Hälfte der maximalen Zielerreichungsprämie (15.000,- €) wurde monatlich zu gleichen Teilen à 1.250,- € zusätzlich zum monatlichen Fixgehalt als "a-conto-Zahlung" geleistet. Diese Zahlungen wurden bei Errechnung der Jahresprämie verrechnet.

Des Weiteren war zwischen den Parteien ein Dienstwagenvertrag vom 18.11.2010 geschlossen. Hiernach war der Kläger berechtigt, den Dienstwagen auch außerdienstlich zu nutzen, wofür ein geldwerter Vorteil in Höhe von 483,- € in den Lohnabrechnungen angesetzt wurde.

Der Kläger unterzeichnete alleine am 23.08.2011 für die Beklagte einen Vertrag mit der E.GmbH. Gegenstand des Vertrages war die Erbringung verschiedener Dienste aus dem Bereich Customer-Relationship-Management (CRM). In Anlagen zu dem Vertrag waren die zu erbringenden Leistungen näher umschrieben. Ebenfalls war eine Terminplanung dem Vertrag beigefügt. Die Beklagte verpflichtete sich zu den in den Anlagen näher umschriebenen Mitwirkungsleistungen. Als Vergütung wurde eine einmalige Zahlung in Höhe von 45.000,- € vereinbart, wobei 50 % des Betrages mit Beginn des Vertragsverhältnisses fällig sein sollten, der Rest "ab dem produktiven Beginn der Phase 1". Zudem verpflichtete sich die Beklagte zu einer monatlichen Zahl...

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