Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenpauschale für die Bearbeitung von Lohnpfändungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Abtretung oder Pfändung von Lohn- oder Gehaltsansprüchen betrifft kein Arbeitsverhalten und auch kein Verhalten der Arbeitnehmer innerhalb des Arbeitsverhältnisses und unterliegt daher auch nicht dem Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG. Deshalb kann nach dieser Bestimmung auch nicht die Regelung einer Kostenerstattungspauschale für Lohnpfändungen erfolgen.

2. Die Regelung einer Kostenerstattungspauschale für Lohnpfändungen kann auch nicht in einer freiwilligen Betriebsvereinbarung rechtswirksam erfolgen. Eine derartige Regelung scheitert bereits an dem gegenüber einer arbeitsvertraglichen Regelung zu beachtenden Günstigkeitsprinzip. Im Übrigen stellt eine solche Regelung eine unzulässige Lohnverwendungsbestimmung dar.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 1, § 75 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Kempten (Urteil vom 13.01.2005; Aktenzeichen 5 Ca 2704/04 M)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.07.2006; Aktenzeichen 1 AZR 578/05)

 

Tenor

I.

Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes Kempten vom 13.1.2005 – 5 Ca 2704/04 M – abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 431,83 (in Worten: vierhunderteinunddreißig 83/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus EUR 312,49 seit 3.3.2004 und aus weiteren EUR 119,34 seit 15.11.2004 zu zahlen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.
  3. Der Streitwert wird auf EUR 431,83 festgesetzt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, bei Pfändungen der Bezüge des Klägers diesem 3 % des gepfändeten Betrages als Bearbeitungsgebühr vom verbleibenden Arbeitslohn abzuziehen.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Werkführer mit einem Bruttoarbeitsentgelt von circa EUR 3.600,– seit August 1984 beschäftigt. Der Lohnanspruch des Klägers für die Jahre 2003 und 2004 wurde zum Teil gepfändet.

Die Beklagte hat mit ihrem Betriebsrat unter dem Datum 1.1.1999 eine Arbeits- und Betriebsordnung abgeschlossen. Ziffer 6.2 dieser Arbeits- und Betriebsordnung lautet wie folgt:

„6.2

Abtretung und Pfändung von Arbeitsentgelt

Abtretung oder Verpfändung von Lohn- und Gehaltsansprüchen sind der Firma gegenüber nur wirksam, wenn sie schriftlich zugestimmt hat (vergl. § 399 BGB).

Bei Pfändung der Bezüge werden vom gepfändeten Betrag 3 % Bearbeitungsgebühren einbehalten. Das gleiche gilt für eine Abtretung, wenn dies anerkannt wird.”

Entsprechend dieser Regelung hat die Beklagte vom Lohn des Klägers für die Monate Januar bis September 2003 monatlich EUR 18,54 als Bearbeitungsgebühr einbehalten. Im Oktober 2003 hat sie EUR 26,29, im November und Dezember 2003 jeweils EUR 19,89 als Bearbeitungsgebühr einbehalten. Insgesamt wurden somit dem Kläger für das Jahr 2003 Bearbeitungsgebühren in Höhe von EUR 232,93 in Rechnung gestellt und einbehalten. Für das Jahr 2004 hat die Beklagte dem Kläger als Bearbeitungsgebühr für Pfändungen monatlich EUR 19,89 berechnet, was für die Zeit vom 1.1.2004 bis 31.10.2004 einen Gesamtbetrag von EUR 198,90 ergibt.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, von ihm eine Bearbeitungsgebühr zu verlangen. Die entsprechende Regelung in der Arbeits- und Betriebsordnung sei unwirksam, da dem Betriebsrat hierzu die Zuständigkeit fehle. Bei der Vereinbarung von Bearbeitungsgebühren für Pfändungen handele es sich um eine Regelung, die den Individualbereich des Arbeitnehmers betreffe. Da diesen Bereich nur der Arbeitnehmer für sich selbst regeln könne, könne der Betriebsrat eine solche Vereinbarung nicht zu Lasten des Arbeitnehmers treffen. Die Pflichten des Drittschuldners seien vom Arbeitgeber grundsätzlich kostenlos zu erfüllen. Er könne diese nur durch eine Individualvereinbarung auf den Arbeitnehmer abwälzen. Eine solche existiere jedoch zwischen den Parteien nicht.

Der Kläger beantragte im ersten Rechtszug,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 431,83 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragte dagegen

die Klageabweisung

und trug vor, dass sie nach Ziff. 6.2 der Arbeitsordnung vom 1.1.1999 berechtigt gewesen sei, die Bearbeitungsgebühr einzubehalten. Gerade im Falle des Klägers hätten sich besonders schwierige Fragen ergeben, die zu häufigen Rücksprachen mit dem Gericht bzw. der vom Kläger beauftragten Anwältin geführt hätten. Der Kläger könne nicht verlangen, dass ihm die Beklagte diesen Service kostenlos erbringe.

Das Arbeitsgericht Kempten hat durch Endurteil vom 13.1.2005 die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte sei gemäß Ziff. 6.2 der Arbeits- und Betriebsordnung vom 1.1.1999 berechtigt gewesen, dem Kläger für die erfolgten Pfändungen eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 3 % des gepfändeten Betrages monatlich in Rechnung zu stellen...

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