Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Macht der gekündigte Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess ausschließlich geltend, die Kündigung sei unwirksam, weil das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Kündigung bereits (gem. § 613 a BGB auf einen anderen Arbeitgeber übergegangen sei, ist die Kündigungsschutzklage unschlüssig (im Anschluss an BAG 18.04.2002, Az 364/01 und BAG 15.12.2005, Az 8 AZR 202/05).

2. Der für einen Betriebinhaberwechsel im Sinne von § 613 a BGB erforderliche Übergang der Leitungsmacht (BAG 15.12.2005, Az 8 AZR 202/05) muss sich auf die Leitung des Betriebs im Alltagsgeschäft beziehen. Nicht ausreichend ist es, dass ein anderes Unternahmen als der (bisherige) Arbeitgeber, z. B. eine Konzernobergesellchaft, die wirtschaftlichen Geschicke des Betriebs bestimmt.

3. Die Bemühungen einer Konzernobergesellschaft, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer im Konzern zu vereinheitlichen, sind für die Frage des Übergangs der Leitungsmacht im Sinne von § 613 a BGB unmaßgeblich.

4. Der Umstand, dass ein Mitarbeiter der Obergesellschaft gegenüber der Presse bekanntgibt, ein bestimmtes Produkt des Betriebs einer Tochtergesellschaft werde nicht mehr weiterentwickelt, spricht nicht dafür, dass die Obergesellschaft den Betrieb der Tochtergesellschaft im Sinne von § 613 a BGB übernommen hätte.

5. Wenn zwischen dem bei der Obergesellschaft gebildeten Betriebsrat und der Tochtergesellschaft vereinbart wird, dieser Betriebsrat solle auch für die Mitarbeiter der Tochtergesellschaft zuständig sein, spricht dies nicht zwingend für die Übernahme der betrieblichen Leitungsmacht in Bezug auf die Tochtergesellschaft durch die Obergesellschaft.

6. Es stellt keine Umgehung des § 613 a BGB dar, wenn einzelne Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft über längere Zeit bei der Obergesellschaft eingesetzt sind, ohne dass deren Vergütung von dieser getragen wird. 7. Eine Verpflichtung der Obergesellschaft zur Beschäftigung von Arbeitnehmern einer Tochtergesellschaft setzt eine entsprechende Gestaltung des Arbeitsvertrags bzw. Arbeitsverhältnisses und – bei Fehlen der Zusage einer solchen Beschäftigung durch die Obergesellschaft gegenüber dem Arbeitnehmer – einen bestimmenden Einfluss des Vertragsarbeitgebers auf die Obergesellschaft voraus.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 613a; ZPO §§ 50, 256

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 23.03.2006; Aktenzeichen 23 Ca 16803/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom23.03.2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten zu 1. ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, um die vom Kläger begehrte Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2. übergegangen ist – hilfsweise um die Verpflichtung der Beklagten zu 2., in das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten zu 1. als Arbeitgeberin einzutreten –, ferner um die vom Kläger geltend gemachte Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Frage der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger wurde mit Anstellungsvertrag vom 05.02.2001 von der Firma G. GmbH & Co. KG als Mitarbeiter für das Qualitätsmanagement eingestellt. Seine Tätigkeit bezog sich auf das Qualitätsmanagement des Softwareprogramms „A.”, eines Warenwirtschaftsprogramms, das speziell für mittelständische Unternehmen in Deutschland entwickelt worden war. Die Tätigkeit des Klägers bestand darin, dieses Programm in Zusammenarbeit mit der Entwicklungsabteilung auf Fehler zu testen und auftretende Fehler an die Entwicklungsabteilung zu melden. Laut Organigramm vom 05.02.2003 war er dem Bereich Product Management zugeordnet. Die Firma G. wurde 2001 von der Beklagten zu 2. erworben. Da sich der bisherige Standort in G. als zu klein für die Zahl der Mitarbeiter erwies, erfolgte ein Umzug nach F.. Am 31.12.2002 wurde die Firma G. GmbH & Co. KG in die Firma M. GmbH & Co. KG – die Bezeichnung der Beklagten zu 1. – geändert. Nach einer Mitteilung des Amtsgerichts München – Registergericht – vom 22.06.2005 ist die Beklagte zu 1. mittlerweile aufgelöst. Die Firma ist erloschen. Als Tag der Eintragung und Bestätigung ist der 17.06.2005 genannt. Nach einer Presseveröffentlichung vom 18.09.2003 erklärte ein Mitarbeiter der Beklagten zu 2., dass nach der im Jahr 2003 herausgegebenen 4. Version des Programms „A.” eine neue Version nicht entwickelt werde.

Im Verlauf des Sommer 2003 zogen die Mitarbeiter der Beklagten zu 1. von F. an den Standort der Beklagten zu 2. in U. um, wo sie in einem Großraumbüro der Muttergesellschaft untergebracht wurden, für die die Beklagte zu 1. an die Beklagte zu 2. Miete zahlte. Bereits am 01.07.2002 hatten die Mitarbeiter der Beklagten zu 1. einen sog. Integrationsbrief erhalten, der sich mit der Eingruppierung in die M.-Gehaltsgruppen, der Angleichung des Gehaltssystems von 13 auf 12 Monatsgehältern, der Vereinheitlichung der Arbeitszeit auf 40 Stunden, der Übern...

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