Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsvertrag und Arbeitnehmereigenschaft gem. § 611a BGB. § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG als Auslegungshilfe zur Feststellung des Arbeitnehmerstatus. Kein Arbeitnehmerstatus bei GmbH-Geschäftsführern

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Arbeitnehmereigenschaft eines Beschäftigten ergibt sich grundsätzlich aus § 611a BGB. Danach ist Arbeitnehmer, wer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist.

2. Zur Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft oder aber zu ihrer Verneinung kann auch die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG herangezogen werden. Danach gelten die Vorschriften des ersten Abschnitts des KSchG im Betrieb einer juristischen Person nicht für die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist; mit der Folge, dass Fremdgeschäftsführer nicht als Arbeitnehmer zu gelten haben.

3. Die vom Fremdgeschäftsführer geleisteten Dienste sind ihrem sozialen Typus nach nicht mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar. Dies ergibt sich aus der mit ihrem Amt verbundenen Rechtsstellung. Der Geschäftsführer verkörpert als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft den Arbeitgeber. Er nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern arbeitgebergleiche Person, im Falle des Fremdgeschäftsführers jedenfalls arbeitgeberähnliche Person. Durch die gesetzlichen und nach außen nicht beschränkbaren Vertretungsbefugnisse unterscheidet sich der Geschäftsführer einer GmbH grundlegend von anderen leitenden oder nicht leitenden Arbeitnehmern.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 23 Abs. 1 S. 3, § 14 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 611a; HGB § 84 Abs. 1 S. 2, Abs. 2; GmbHG § 35 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 05.03.2020; Aktenzeichen 33 Ca 7766/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.04.2021; Aktenzeichen 2 AZR 540/20)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 05.03.2020 - 33 Ca 7766/19 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und dabei über die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes.

Der Kläger war seit 01.12.2016 bei der Beklagten als Lagermitarbeiter mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. zuletzt € 3.150,00 beschäftigt, zunächst befristet und ab 01.12.2017 unbefristet. Die Einstellung und die Entfristung des Klägers erfolgte auf ausdrücklichen Wunsch des langjährigen Betriebsleiters und Prokuristen der Beklagten, Herrn L., dem ehemaligen Schwager des Klägers. Mit einem Schreiben vom 21.06.2019 (Bl. 13 d. A.), das dem Kläger am 27.06.2019 übergeben wurde, kündigte die Beklagte dem Kläger zum 31.07.2019. Zum Zeitpunkt der Kündigung waren bei der Beklagten, die zwei Fremdgeschäftsführer hat, die folgenden Arbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt: der Kläger,

Herr C.,

Herr B.,

Herr L. bis zum 31.08.2019 als Betriebsleiter,

Herr F. und Frau M. im Büro;

Weiter waren beschäftigt:

Frau X. im Büro mit 31 Wochenstunden,

Herr N. als Elektriker bzw. Techniker geringfügig beschäftigt,

Herr Y. in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis,

Frau Z. im Büro in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis, wobei der genaue Umfang der Wochenarbeitsstunden zwischen den Parteien streitig blieb.

Daneben erledigte Frau P., Geschäftsführerin einer W. GmbH, die Buchhaltung für die Beklagte. Weiter waren bei der Beklagten immer wieder auch Praktikanten tätig. Für das Aufgabengebiet des Klägers stellte die Beklagte zum 01.08.2019 eine Arbeitnehmerin, die einen Fahrausweis für Flurförderfahrzeuge besitzt, neu ein und insgesamt beschäftigte die Beklagte seit dem Ausscheiden des Klägers zwei neue Mitarbeiter.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, bei der Beklagten sei als weiterer Mitarbeiter ein Herr Ö. tätig gewesen und dass die Beklagte stets ein bis zwei Praktikanten beschäftigt habe. Außerdem sei Frau Z. auf Grund ihrer Anwesenheitszeiten im Umfang von 0,75 iSd. § 23 KSchG zu berücksichtigen. Der Kläger hat sich darauf berufen, dass das Kündigungsschutzgesetz anwendbar sei und dass auch die Geschäftsführer als Arbeitnehmer zu berücksichtigen seien und dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 Abs. 1, 2 KSchG sei. In jedem Fall werde durch die gleichzeitige Neueinstellung einer Arbeitnehmerin im gleichen Aufgabengebiet gegen das nach Art. 12 GG gebotene Mindestmaß sozialer Rücksichtnahme verstoßen, zumal auch er im Besitz eines Fahrausweises für Flurförderfahrzeuge sei.

Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger zuletzt beantragt:

Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten mit Schreiben vom 21. Juni 2019 erklärte Kündigung, zugegangen am 27.6.2019, unwirksam ist und das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht beendet hat.

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt

Die Beklagte hat vorgetragen, dass Herr Ö. selbst Unternehmer sei und als Vorsitzender der Gebäudereiniger-Innung nicht bei der ...

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